1888, Briefe 969–1231a
1197. An Helen Zimmern in Florenz
Turin, via Carlo Alberto 6 III <um den 17. Dezember 1888>
Verehrtes Fräulein
Sie würden mir einen großen Dienst erweisen, wenn Sie beifolgenden Aufsatz des Herrn Peter Gast unter dem Titel „Nietzsche contra Wagner“ für eine der großen Review’s übersetzen wollten. Ich habe jetzt absolut nöthig, in England bekannt zu werden, denn meine nächsten Schriften — sie sind vollkommen druckfertig — sollen zugleich englisch, französisch und deutsch erscheinen. Die Hornvieh-Rasse der Deutschen — Verzeihung für das starke Wort! — ist mir vollkommen fremd; man wird sich gegen mich mit Confiscationen und andren Polizei-Maßregeln wehren. Also habe ich für meine Aufgabe, die zu den allergrößten gehört, welche ein Mensch auf sich nehmen kann — ich will das Christenthum vernichten — Amerika, England und Frankreich nöthig — Preßfreiheit in jedem Sinn…
Ich erinnere mich, in einer Nummer des Journal des Débats gelesen zu haben, daß eine englische Zeitschrift (Century Review oder ähnlich —) den Kampf gegen Wagner sehr energisch eröffnet hat. Wenn Sie Lust haben, so sende ich Ihnen meine Schrift. Sie ist über alle Maaßen boshaft und könnte eher schon von einem Pariser geschrieben sein.
Jetzt eben erscheint von mir etwas extrem Radikales Götzen-Dämmerung. Oder: wie man mit dem Hammer philosophirt.* Ich sende es Ihnen zu — unter Umständen führen Sie dies Stück in England ein. Es ist antideutsch und antichristlich par excellence — sollte es damit nicht stark auf Engländer wirken? Meine Argumente sind ganz andrer Art, als je angewendet worden sind, — ich bin gar kein Mensch, ich bin Dynamit.
Hoffentlich trifft mein Brief Sie in muthiger und kriegsgewohnter Verfassung? —
Sehr ergeben
Nietzsche
— Herr Peter Gast ist einer unserer ersten Musiker oder, wenn Sie mir glauben wollen, bei weitem der Erste — er kann das, was zu allen Zeiten die Seltensten können, das Vollkommne. Es ehrt mich, einen solchen „Jünger“ zu haben.
N.
— Ms. Taine hat mir über die Götzen-Dämmerung einen unschätzbaren Brief geschrieben, voller Bewunderung über „toutes mes audaces et finesses“. Ich bin eben in Unterhandlung, auf M. Taines Rath, mit dem ausgezeichneten Chef-Redakteur des Journal des Débats und der Revue des deux Mondes Ms. Bourdeau, den er mir als einen der intelligentesten und einflußreichsten Franzosen empfohlen hat: derselbe soll die Schritte zur Übersetzung des Werks vorbereiten.