1888, Briefe 969–1231a
1052. An Constantin Georg Naumann in Leipzig
Sils-Maria Oberengadin Schweiz 26. Juni 1888.
Geehrtester Herr Verleger,
es giebt Etwas zu drucken. Wenn es Ihnen convenirt, wollen wir diese kleine Sache ungesäumt in Angriff nehmen. Es ist bloß eine Broschüre, aber sie soll so ästhetisch wie möglich aussehn. Sie betrifft Fragen der Kunst: folglich dürfen wir uns mit unserm Geschmack nicht bloßstellen.
Es ist schade, daß ich nicht persönlich hierüber mit Ihnen reden kann. Ich hörte gerne auch Ihrerseits Vorschläge. Was die meinigen betrifft, so möchte ich vor Allem den Versuch mit deutschen Lettern einmal empfehlen. Große, fette, schöne Lettern und nicht mehr als 27 Zeilen auf der Seite (das bisherige Format vorausgesetzt —) Vielleicht machen wir auch wieder eine Rand-Linie um die Seite, wie beim Zarathustra. — Ich glaube bemerkt zu haben, daß für Fragen und Schönheiten des Stils der Deutsche vollkommen stumpf ist, sobald er lateinische Schrift liest. Erst mit den deutschen Lettern entsteht seine Empfänglichkeit für das Aesthetische eines Stils. (Vielleicht, weil er gewohnt ist, seine Classiker in diesen Lettern zu lesen? — —)
In summa: mein lateinischer Druck hat mir bis jetzt viel Schaden gethan. Insbesondre beim Zarathustra.
Ich hebe noch ein paar Wünsche hervor:
schwärzerer Druck als in der letzten Schrift.
das Papier stärker und womöglich gelb (—es soll sehr delikat aussehen)
eine liberale Raumverwendung, zum Beispiel größere Zwischenräume zwischen den einzelnen Abschnitten.
Für den äußeren Umschlag empfehle ich wieder das blasse Grün und den Titel in roth wie beim 4ten Zarathustra.
Zunächst ersuche ich um ein Paar Probeversuche, hinsichtlich Lettern, Raumvertheilung, auch Papier.
Mit der Bitte, dieser Sache einige Theilnahme zu schenken
bin ich
Ihr ergebenster
Prof. Dr. Nietzsche
NB. Ich habe bis jetzt in deutschen Lettern nichts gesehn, was mir gefallen hätte. Ich rathe nicht zu Schwabacher Lettern (— das ist eine Schwierigkeit mehr für die Herren Leser —)
Senden Sie, bitte, auch an Herrn Köselitz (München, poste restante) diese Proben. Das ist ein Mann von Geschmack.