1888, Briefe 969–1231a
1158. An Constantin Georg Naumann in Leipzig
Turin, den 26. Nov. 88
Geehrtester Herr Verleger,
ich schreibe Ihnen noch einmal; die Frage, um die es sich handelt, ist ersten Ranges. Alles erwogen, ist die unqualificirbare Handlung des E. W. Fritzsch ein Glücksfall, der nicht hoch genug zu schätzen ist. Ohne diesen Handlung, welche nicht nur eine Taktlosigkeit, sondern eine Ehren-Verletzung ist (— er hat mir die armseligsten persönlichen Motive für meine Schrift gegen Wagner untergeschoben, mir dem Unpersönlichsten Menschen, den es vielleicht gegeben hat) würde ich kein Mittel haben, meine Schriften aus seinen Händen zu ziehn. Jetzt aber kann ich es nicht nur, ich muß es: in einem Augenblick, wo mein Leben in einer ungeheuren Entscheidung ist und eine Verantwortlichkeit auf mir liegt, für die es keinen Ausdruck giebt, vertrage ich es nicht, daß man Gemeinheiten an mir begeht. Der Verleger des „Zarathustra“! des ersten Buches aller Jahrtausende! in dem das Schicksal der Menschheit einbegriffen ist! das in wenig Jahren in Millionen von Exemplaren sich verbreiten wird!… Sobald „Ecce homo“ heraus ist, bin ich der erste Mensch, der jetzt lebt.
Verhandeln Sie, geeintester Herr Verleger, doch einmal persönlich mit E. W. Fritzsch, sagen Sie ihm, mein Entschluß sei unwiderruflich, er habe mich in meiner Ehre beleidigt. Ich möchte, daß Sie meine ganze Litteratur zusammen haben, — ich möchte andrerseits, daß jetzt, wo Alles sich bei mir entscheidet, auch wir unter uns über ein normaleres Verhältniß zwischen Autor und Verleger nachdächten. Ich werde niemals Honorare wollen, das gehört zu meinen Principien; aber ich möchte, daß Sie vollen Antheil an dem Erfolg, an dem Sieg meiner Litteratur hätten. — Die „Umwerthung aller Werthe“ wird ein Ereigniß ohne Gleichen, <nic>ht etwa ein litterarisches, sondern ein alles Bestehende Erschütternde<s>. Es ist möglich, daß es die Zeitrechnung verändert. —
Die in den Händen von Fr<itzsch> befindliche Litteratur müßte so schnell wie möglich in Ihre Hände übergehn, bevor F<ritzsch> einen Begriff davon bekommt, was er an ihr hat. Schon die Götzen-Dämmerung ist darin gefährlich. Ich weiß im Augenblick nicht, wie ich die von ihm verlangte Summe beschaffe, — vielleicht gelingt es Ihnen, dieselbe etwas zu verringern.
Ihr ergebenster
Dr. Nietzsche
Anbei ein Nachtrag zum E. h., — es wird noch mehr kommen
Dies Papier, worauf ich schreibe, gefällt mir am besten.