1886, Briefe 655–784
784. An Ernst Wilhelm Fritzsch in Leipzig
Nizza (France) pension de Genève petite rue St. Etienne Ende Dezember 1886
Werthester Herr Verleger,
so bin ich denn, noch vor Jahres Schluß, mit Allem fertig, was ich zum Besten meiner früheren Litteratur zu thun mir vorgesetzt hatte. Das Letzte — das was Ihnen hiermit als Manuscript zugeht — war ein Schlußtheil (fünfter Theil) der fröhlichen Wissenschaft, der von vornherein projektirt war und nur unter den Consequenzen fataler Gesundheits-Zwischenfälle damals nicht fertig wurde. Dieser fünfte Abschnitt des genannten Buchs wird ungefähr 50 Druckseiten ausmachen; die Kosten für die Herstellung will ich selbst bestreiten, aber Teubner (bei dem das Ganze gedruckt ist) muß der Drucker sein. Ich setze nämlich voraus, daß die genau entsprechenden Lettern sich schwerlich in der Röderschen Offizin finden werden; auch C. G. Naumann hatte sie nicht. Übrigens haben Sie vollkommen Recht in Betreff der Lettern, die zur Vorrede der „Geburt der Tragödie“ verwendet worden sind: sie sind vorzüglich scharf und sehn gut aus, — aber sie passen nicht, wie mir scheint, zu dem Eindruck, den jene viel fetteren Teubnerschen Lettern machen, sowohl in der Morgenröthe als in der fröhlichen Wissenschaft. —
Wenn die Vorreden zu letztgenannten Werken, insgleichen jener fünfte Abschnitt der fröhl<ichen> Wiss<enschaft> sammt den „Liedern des Prinzen Vogelfrei“ gedruckt sind, dann ist in der That etwas Wesentliches gethan, um das Verständniß meiner ganzen Litteratur (und Person) zu erleichtern. Und namentlich wird man begreifen, daß wer erst mit mir „angebunden“ hat, auch Schritt für Schritt mit mir weiter muß. —
Auf dem Titel der fröhlichen Wissensch<aft> soll es nunmehr heißen:
Neue erweiterte Ausgabe
mit einem Anhange:
Lieder des Prinzen Vogelfrei.
Geben Sie mir, bitte, umgehend Nachricht über das Eintreffen der drei Manuscripte, desgleichen darüber, daß den Druckern Ihrerseits jede mögliche Beschleunigung anempfohlen ist: denn, wie ich schon im letzten Briefe sagte, ich will schlechterdings das Alles los sein und nicht länger mehr von dem, was Vergangenheit ist, gestört werden. Das ganze Jahr ist damit draufgegangen: gut, salvavi animam, es war eine Gewissenssache, aber nunmehr ist’s genug!
— Ich brauche jetzt, für lange lange Jahre, tiefe Ruhe: denn es steht die Ausarbeitung meines ganzen Gedankensystems vor mir. —
Ihnen, geehrtester Herr Verleger, angenehmes Weihnachten und glückliches Neujahr wünschend
Ihr ergebenster
Prof Dr Nietzsche
NB. Packen Sie das Ms. mit Vorsicht aus, daß die einzelnen Blätter nicht durcheinander gerathen!
Den Correcturgang betreffend: Ein Abzug mit Ms. an Herrn Köselitz (München, Türkenstr. 33 III r.) zu gleicher Zeit ein Abzug an mich hierher (genaue Adresse, wie an der Spitze des Briefs)