1886, Briefe 655–784
731. An Erwin Rohde in Dänemark (Entwurf)
<Sils-Maria, etwa Mitte August 1886>
Es hat mir von Herzen wehe gethan, Dich dieses Frühjahr in solcher Tribulation zu finden, daß eigentlich zwischen uns kein gescheutes Wort gesprochen werden konnte, noch weniger ein ungescheutes lustiges, festliches: denn ich hatte mich auf unser Wiedersehn wie auf ein Fest gefreut. Inzwischen wird hoffentlich Alles glätter und glücklicher gegangen sein. Hier in Sils, wo Ende Sommers eine Art Professoren-Rendezvous stattfindet (mit einem Uebergewicht von Leipzig) sprach man viel von Deinem Fall, und immer mit dem aufrichtigsten Bedauern, Dich verloren zu haben. Auch Pflugk-Harttung hat sich mir vorgestellt, als ein Dir sehr ergebener Mensch. — — Ich habe letzthin den Auftrag an C. G. Naumann gegeben, Dir mein neustes Werk zuzusenden: nicht eigentlich damit Du es lesen sollst (denn sein Problem liegt glücklicherweise außerhalb Deiner Sorgen und Verantwortlichkeiten), sondern nur um es Dir nicht nicht zu senden. Ich weiß, alter Freund, Du verstehst die Nuance dieser doppelten Negation. — Empfiehl mich Deiner Frau (sie hat mir sehr gefallen); ich sehe daß das Bild Deines Mädchens auf meinem Tische liegt: daneben das Bild eines Knaben, das Abschiedsgeschenk eines Holländers aus Java, der mir sehr zugethan ist und seine Sommer-Erholung hier in Sils und bei mir sucht. Er hat seine Frau verloren: sein einziges Kind ist nunmehr ihm das Liebste auf Erden.