1886, Briefe 655–784
663. An Hermann Credner in Leipzig (Entwurf)
<Nizza, Mitte Januar 1886>
Es war mir nicht möglich, mich mit meinem früheren Verleger Herrn Schm. in Ch. zum Zweck einer zweiten Auflage von M<enschliches,> A<llzumenschliches> zu verständigen. Im Grunde glaube ich jetzt, daß er meine Schriften gar nicht los geben möchte; er weiß ungefähr, was er in ihnen hat, unter seinen nächsten Bekannten sind Einige der eifrigsten und ergebensten meiner Anhänger. (Haben Sie vielleicht z. B. die Schlußseiten von Widemann „Erkennen und Sein“ H. Reuther 1885 zu sehen bekommen?) Daß Schmeitzner an meinen Schriften bisher nicht verloren, sondern verdient hat, wenn auch nicht in dem Maaße und der Schnelligkeit als er vielleicht erwartet hat, ist mir aus dem Einblicke in seine Geschäftslage, den mir der Prozeß gewährte, vollkommen klar. Meine Bücher haben jetzt ein außerordentl<ich> weit verbreiteten festen und mir sehr ergebnen Leserkreis, der noch nicht groß, aber fortwährend anwachsend ist, — daran ist nicht zu zweifeln. —
Aber hochgeehrter Herr, wenn es nicht angeht die zweite Auflage von M<enschliches> und A<llzumenschliches> zwischen uns zu verabreden: erwägen Sie gefälligst, ob Sie etwas Neues, das bis zur Abschrift fertig ist, herauszugeben gewillt sind! Es ist der zweite Band von
Morgenröthe
Gedanken über die moral<ischen> Vorurtheile.
Wenn es einem Autor ansteht, ein Wort über sein Buch selber zu sagen: nun, ich würde sagen es ist ein Buch für geistige Feinschmecker und Waghalse; es ist sogar vom Feinsten und Verwegensten daran. Trotzdem hat es nichts, was wie ein direkter Angriff erscheint; ich gehöre nicht zu den Parteimenschen irgend welcher Art welche durchaus „bekehren“ oder „umwerfen“ wollen.