1886, Briefe 655–784
735. An Friedrich Hegar in Zürich
Sils-Maria, Oberengadin 17. August 1886
Verehrter Herr Capellmeister,
hiermit ruft sich Jemand Ihnen ins Gedächtniß, der seit zwei Jahren durch alle möglichen Zufälle und Kreuzungen verhindert war, nach Zürich zu kommen, — nach jenem Zürich, das bei ihm in einem sehr guten Geruche und, Dank Ihnen, in einem noch besseren Klange steht.
Diese beifolgende Composition würde ich gerne jetzt herausgeben: vorausgesetzt, daß sie Ihre Billigung fände. Namentlich die Instrumentation (die nicht von mir stammt, aber doch auf meine Angaben hin gemacht ist): hätten Sie die Güte, mir Ihr Urtheil über dieselbe ohne Schonung zu sagen? Wie stark müßte der Chor sein, der sich mit dem Blechklange der gewählten Instrumente vertrüge?
Es ist ein Stück Musik, das vielleicht einmal „zu meinem Gedächtniß“ gesungen werden könnte: dafür wenigstens habe ich’s ausgedacht.
Gegen Ende des Liedes ist ein tragischer Accent, der aus meinen innersten „Eingeweiden“ stammt. —
— Wie geht es bei Ihnen? Meine Schwester (Frau Dr. Förster nunmehr) hat bis jetzt recht erfreulich aus ihrer neuen Heimat Paraguay geschrieben. Jene Tage damals in Zürich waren unser heiterstes und wohlgerathenstes Zusammensein, für das wir Beide eine dankbare Erinnerung haben. Sagen Sie dies, bitte, auch Ihrer verehrten Frau Gemahlin.
Mit herzlichstem Gruß und Wunsch
Ihr ergebenster
Prof. Dr. Nietzsche