1886, Briefe 655–784
778. An Friedrich Hegar in Zürich
Nizza, pension de Genève 1 December 1886
Verehrtester Herr Kapellmeister,
inzwischen wird, wie ich von Herzen hoffe, es mit der Gesundheit besser und besser gegangen sein, — oh, Sie werden sie nöthig haben, denn der Winter rückt mit seinen großen Anforderungen heran. Ihren Zeilen entnehme ich, mit Dankbarkeit, wie viel Neigung Sie uns bewahrt haben, sogar bis auf meine „Musik“, ich sollte sagen, sogar trotz meiner Musik. Sie haben nur allzusehr Recht mit dem, was Sie über das Chorlied sagen; und es wird nicht nur der Oboen und andrer orchestralen Beihülfe bedürfen, um daraus etwas Vortragbares zu gestalten.
Meine Bitte geht dahin, daß Sie das Manuscript an diese Adresse abgehn lassen:
Herrn Heinrich Köselitz
München
Türkenstraße
33 III r
Von dem oben genannten Herrn wünschte ich Gutes melden zu können: aber er sitzt in München, eingezwängt in Beschäftigungen, die ihm peinlich sind und den Muth rauben, — und immer noch ohne Aussicht auf die Aufführung seiner Oper. Einen prachtvollen großen Orchestersatz ungarischen Gepräges, betitelt „Miska-Czardas“, den er noch in Venedig nein! in Zürich componirt hat, würde ich sehr zur Aufführung empfehlen. Die Stimmen dazu sind geschrieben. —
Ihnen und Ihrer verehrten Frau Gemahlin ein vergnügtes Weihnachten wünschend und mich selbst angelegentlich empfehlend bin und bleibe ich Ihr ergebenster
Prof. Dr. Nietzsche.