1886, Briefe 655–784
687. An C. Heymons (Carl Duncker’s Verlag) in Berlin
Nizza (France), 12. April 1886 rue St. François de Paule 26
Geehrter Herr,
mit diesem Briefe möchte ich Ihnen den Vorschlag machen, ein philosophisches Werk von mir herauszugeben, das unter dem Titel „Jenseits von Gut und Böse“ bereit sein würde, in die Welt zu gehn. Einer meiner Freunde, der mich gerade hier besucht (Hofrath Heinze, Prof. der Philos. in Leipzig) räth mir, mich an Sie zu wenden, in Anbetracht, daß ich am ehesten bei Ihnen den Muth der Initiative finden werde, wie er zur Herausgabe eines solchen sehr unabhängig gedachten und gemachten Buchs nöthig ist. Meine Leser und Anhänger sind weit verbreitet genug, um Ihnen von vornherein die Verkäuflichkeit des Buchs wahrscheinlich zu machen; meine Bedingungen andererseits enthalten, wie ich hoffe, nichts, was Ihnen unbillig erscheinen dürfte, zumal es die alten gleichen Bedingungen sind, welche mir von meinem 24ten bis zum 42ten Lebensjahre immer zugestanden worden sind. Als Honorar pro Bogen 40 Mark, bei einer Auflage von 1000 Exemplaren.
Die Ausstattung (Satz, Format, Papier u.s.w.) getreu nach dem Vorbild von „Menschliches, Allzumenschliches. Ein Buch für freie Geister“ — ich nehme eins meiner früheren Werke, im Grunde sind sie allesammt in dieser Hinsicht einander gleich. Gute Druckerei vorausgesetzt: die meisten meiner Bücher sind bei Teubner und C. G. Naumann in Leipzig gedruckt.
Der Umfang des Buches möchte sich ungefähr auf 300 Seiten erstrecken. — Bedingungen für neue Auflagen vorbehalten. — Druck alsbald beginnend.
Das Buch enthält zehn Abschnitte, deren Überschriften lauten: Von den Vorurtheilen der Philosophen. Der freie Geist. Das religiöse Genie. Das Weib an sich. Zur Naturgeschichte der Moral. Wir Gelehrten. Unsere Tugenden. Völker und Vaterländer. Masken. Was ist vornehm?
— Darf ich hoffen, hiermit, geehrter Herr, Ihnen ein willkommenes Anerbieten gemacht zu haben?
Hochachtungsvoll
Ihr ergebener
Professor Dr. Friedrich Nietzsche.