1886, Briefe 655–784
675. An Resa von Schirnhofer in Zürich (Entwurf)
<Nizza, Ende Februar 1886>
Gestern Abend wurde mir in der Pension <de> G<enève> eine Frau P. Rößler aus Graz vorgestellt: und zwei Minuten später kam ich endlich wieder zu meiner großen Freude dem abhanden gegangenen Frl. Resa auf die Spur. Genannte Rösslerin nämlich hatte bei ihrem letzten Pariser Aufenthalte in der gleichen Pension gewohnt, wie Sie, verehrtes Frl., doch nach Ihrer Abreise: sie erzählte wenigstens, noch Ihr Bild daselbst vorgefunden zu haben. Sie glaubte Sie jetzt in Z<ürich>: Wahrscheinlich bemühen Sie sich daselbst um akad<emische> Ehren: — hoffentlich ohne mit Ihrer Gesundheit dafür Buße zahlen zu müssen. Zuletzt haben Sie dort die freundlichsten aller Ärzte zur Hand, — und es soll Fälle geben, wo man gern einmal krank wird, nur um <sich> von Jemand kurieren zu lassen, den man liebt. Grüßen Sie mir Frl. W<illdenow> auf das Beste von dem wunderlichen Einsiedler von S<ils> M<aria>, der vorigen Sommer wenn ich mich recht erinnre, mit seiner Einladung und Aufforderung zum Tanz bei ihr kein Glück gehabt hat, — wahrscheinlich weil er es nicht verdient hat. Wenn Sie selber für diesen Frühling an etwas Erholung und Zeitvertreib denken, erwägen Sie, wenn ich bitten darf, daß ich mir eine große Ehre daraus machen werde, Ihnen dabei zu Diensten zu sein. Z. B. in Venedig, wohin ich von hier übersiedeln will, nach einer schon mehrjährigen Gewohnheit. Ich denke am 13 April von Nizza abzureisen: bis auf diesen Termin habe ich mein Z<immer> gemiethet. Gesetzt, Sie wünschten, geschmückt ich weiß nicht <mit> was für feierlichen Titeln, sich Ihren verehrten Eltern zu präsentiren, so ist der Umweg über Venedig die angenehmste Art von Umweg, die man sich auf Erden wählen kann. Man fährt auf der Gondel, man lacht, man ist ein bischen malinchonico und hört über die Wasser weg singen und Musik machen.
Nochmals, erwägen Sie meinen Vorschlag in einem „feinen Herzen“ und seien Sie auf das herzlichste
gegrüßt von
Ihrem