1886, Briefe 655–784
753. An Hippolyte Taine in Meuthon St. Bernard (Entwürfe)
<Sils-Maria, etwa um den 20. September 1886>
Verehrter Herr
mein Buchhändler hat von mir den Auftrag erhalten, Ihnen ein Exemplar meines letzten Buchs zu übersenden; ich denke, daß er seine Schuldigkeit thun wird und halte meinerseits ein paar Worte für nöthig, die
der Auftrag, den ich m<einem> V<erleger> gab, Ihnen <ein Exemplar meines letzten Buches zu übersenden,> wird hoffentlich erfüllt sein: gestatten Sie mir ein paar Worte, um die
Freiheit, welche ich mir hiermit gegen Sie nehme, zu rechtfertigen.
Das übersandte Werk ist schwer verständlich, voller Hintergedanken, eine fremde Denkweise vielleicht mehr noch verbergend als verrathend: welchen Lesern kann ein solches Buch billigerweise zugemuthet werden? Den Allerwenigsten jedenfalls, den wirklichen Räthselrathern, den historischen „Zeichendeutern“. Dabei dachte ich zum Beispiel an meinen verehrten alten Freund Jakob Burckhardt in Basel; nehmen Sie es wohlwollend auf, hochverehrter Herr, daß ich dabei auch an Sie gedacht habe, dessen Muth, Feinheit, Ausdauer und geistige Umfänglichkeit innerhalb unsres zweifelsüchtigen Europas zu den bestbewiesenen Thatsachen gehört.
Überdies
sind Sie einer der Entdecker Henri Beyles auch ich bin Einer
gäbe es zwischen uns etwas Gemeinsames: Ihre Liebe zu
dem letzten großen Psychol<ogen> H<enri> B<eyle>
Es giebt Wahrheiten, die nur „ins Ohr gesagt“ werden dürfen: laut ausgesprochen, würden sie nicht gehört. Versuchen Sie es, ob mein Buch dergleichen Wahrheiten enthält.
Darf ich Einem der tapfersten und unabhängigsten meiner Zeitgenossen ein Buch in die Hände legen, in dem etwas gewagt wird, das bisher nicht seines Gleichen hatte? Ein großes Geheimniß drückt wie eine große Verantwortlichkeit, — und verlangt Ohren in denen es — — —