1887, Briefe 785–968
967. An Franziska Nietzsche in Naumburg (Fragment)
Nizza, den 29. Dec. 1887.
— — — der „antisem<itischen> Correspondenz“ gelesen habe, kenne ich keine Schonung mehr. Diese Partei hat der Reihe nach mir meinen Verleger, meinen Ruf, meine Schwester, meine Freunde verdorben — nichts steht meinem Einfluß mehr im Wege, als daß der Name Nietzsche in Verbindung mit solchen Antisemiten wie E. Dühring gebracht worden ist: man muß es mir nicht übel nehmen, wenn ich zu den Mitteln der Nothwehr greife. Ich werfe Jeden zur Thüre hinaus, der mir in diesem Punkte Verdacht einflößt. (Du begreifst, in wiefern es mir eine wahre Wohlthat ist, wenn diese Partei anfängt, mir den Krieg zu erklären: nur kommt es 10 Jahre zu spät —)
Wir stecken hier seit vorgestern Abend im Schnee: das ist für Nizza etwas ganz Seltenes, ich habe es noch nicht erlebt. Die Palmen mit Schnee überdeckt, die gelben Apfelsinen zwischen Schnee herausguckend — das sieht kurios aus; und dabei ein himmlisches Wetter, klar und leuchtend, das Meer vom schönsten Blau. Die Kälte geht nachts bis auf 3 Grad unter Null hinunter; unter diesen Umständen ist mein kleiner Ofen unschätzbar (— er wird alle Morgen um 6 eingeheizt, so daß ich für die Zeit meines Sitzens am Schreibtisch leidlich warm habe.) Nizza ist nicht zum Besten daran, was Gäste betrifft; unser Haus relativ das am meisten besuchte (c. 45 Personen) Die Zeit vor dem Schnee war eine herrliche Spaziergehe-Zeit: nur daß der Staub mir sehr zu schaffen gemacht hat (noch am Weihnachtstage —)
Eine große Masse Bücher steht in meinem Zimmer; es giebt auch einen kleinen Bücherschrank. Es giebt auch eine vorzügliche chaise longue (ich kann ohne eine solche nicht gut mehr leben) Unsre Küche ist diesen Winter sehr lobenswürdig. Meine Absicht geht dahin, es etwa bis Ende März auszuhalten (— bis die Sonne mich forttreibt, die zu blendend wird)
— Und nun, meine alte liebe Mutter, sind wir am Ende mit diesem Jahre: ich wünsche mir und Dir zum neuen Muth, Geduld und — recht schöne Briefe. In Liebe Dich umarmend
Dein altes Geschöpf.