1887, Briefe 785–968
941. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Nizza,> 31. Okt. 1887
Heute, meine liebe Mutter, schreibe ich nichts als ein Ofen-Briefchen: denn die Frage ist dringend. Ich habe inzwischen sehr an der vorzeitigen Kälte gelitten: mein Zimmer, Hochparterre, gegen Norden, neben einem kühlen Garten, überdies durchaus nicht niedrig, macht mir blaue Finger und schauerliche Empfindungen jetzt schon: was soll’s im eigentlichen Winter werden! Gleich nach dem Empfang Deines freundlichen Briefes habe ich mich auf die Suche nach Mieth-Ofen gemacht (unterstützt von einer gefälligen Frau, welche hier zu Hause ist und selbst eine Pension besessen hat); aber ich kam gründlich enttäuscht zurück. Man wollte für die Saison 50 frs. (ohne Heizmaterial ebenfalls; ohne die Kosten des Setzens und Transports); das geringste Öfchen sollte 20 frs. Miethe kosten. Nun würde ich nach früherer Erfahrung in der Woche für Holz jedenfalls 4 frs. brauchen (Hôtelpreis natürlich, aber es geht gar nicht anders) Da scheint es mir doch mit Deinem Öfchen viel billiger: außerdem kann ich’s selbst besorgen und brauche nicht zum Einheizen den Hausknecht. (Diese Art Ofen giebt es hier gar nicht.) Meine Bitte geht also dahin, meine liebe Mutter, das Öfchen nebst 2 Centner Material an mich mit möglichster Zeitersparniß abzusenden: per Fracht oder petite vitesse? Bitte, sprich mit dem Herrn Sekretär darüber, der Dir auch über die richtige Adressirung Auskunft geben kann. Das Geld für das Heizmaterial und den Transport soll Hr. Kürbitz Dir übermitteln (dem ich in diesen Tagen schreiben will) Nur muß Alles sehr Schlag auf Schlag geschehn. Auch bitte ich mir eine genaue Beschreibung aus, wie man den Ofen heizt und reinigt usw. usw.
Inzwischen werden 2 Karten von mir an Dich angelangt sein. Der Brief meines Herrn Schwagers ist von mir beantwortet worden. —
Gestern schrieb Hofkapellmeister Mottl von Carlsruhe an mich, eine Aufführung meines Hymnus in Aussicht stellend. —
Mit herzlichem Gruß
Dein altes Geschöpf
F.
Die eine schwarze Weste ist von der Seite her häßlich durchgerissen; der Stoff scheint sehr weich. — Ein paar neue Hosen haben 4 Thaler gekostet. — Mir fehlt immer noch eine Cravatte zum Umknüpfen, aber breit (nicht wie die letzte, sondern wie die früheren, welche das ganze Hemd bedeckten. Die Öffnung der „Weste“ ist viel zu weit.) Bis jetzt fand ich in N<izza> noch keine Cravatte, wie ich sie brauche: doch will ich noch suchen.
Adresse, genau: Nice (France) Hôtel de Genève pet. rue St. Etienne