1887, Briefe 785–968
865. An Ernst Wilhelm Fritzsch in Leipzig
Sils-Maria, Oberengadin den 24. Juni 1887
Lieber und werther Herr Fritzsch,
die ersten Exemplare habe ich mit Dank empfangen, die Rechnung gleichfalls. Was letztere betrifft, so hat Herr C. G. Naumann (Universitätsstr.) von mir den Auftrag, die 282 M 26 Pf. ungesäumt Ihnen auszuhändigen (ich habe ihm nur gesagt, daß ich so viel Ihnen schuldig bin; nichts Näheres)
Es thut mir wohl, daß wir so weit sind; und ich bitte Sie den Glauben aufrecht zu erhalten, der auch mein Glaube ist, daß alle diese Bücher, die Sie nunmehr in Ihrem Verlage haben, durch ihre unabhängige und radikale Gesinnung ebensowohl als durch Reichthum und Form der Gedanken es verdienen, fortzuleben. Verzeihung, daß ich selbst das ausspreche! —
Sie haben vielleicht schon Herrn Köselitz mit Exemplaren bedacht? Jedenfalls muß ich darum bitten. Ein Exemplar der fröhl<ichen> Wissenschaft soll Dr. V. Widmann (Redaktion des „Bund“, Bern) erhalten: er hat vorigen Sommer etwas sehr Intelligentes über mein damals erschienenes Jenseits von G<ut> und B<öse> veröffentlicht. Mir selber bitte ich ebenfalls noch einmal Exemplare aus, zum Zweck eines Geburtstages; auch hätte ich gern von der Geburt der Tragoedie ein Exemplar der 2. Auflage (die einiges Verschiedene von der ersten hat z. B. auf der 2.ten Seite des Textes ein Citat aus Wagners Meistersingern (anstatt des Epigramms von Hebbel)
Einige weitere Wünsche für später vorbehalten.
— Nun sind wir noch nicht fertig mit Drucken, lieber Herr Fritzsch, aber dies Mal handelt es sich um Musik. Der beifolgende „Hymnus an das Leben“ (Chorgesang mit Orchester) ist inzwischen reif zur Veröffentlichung geworden, ich hätte ihn gern in Ihrem Verlag. Was die Herstellungskosten betrifft, so werden wir uns verständigen; mir liegt aber an einer vornehmen und würdigen Ausstattung — denn der Hymnus ist bestimmt, von mir „übrig zu bleiben“ und später einmal „zu meinem Gedächtnisse“ gesungen zu werden.
Thun Sie, wenn ich bitten darf, umgehend die Schritte zum Druck des Hymnus: denn ich möchte im Herbst schon ihn in Zürich mir vorführen lassen (durch die Güte Hegar’s, die in solchen Fällen mir bewiesen ist.)
Die Correktur wird auch in diesem Falle, wie es sich von selbst versteht, mein „ständiger“ Correktor und Freund Herr Köselitz mit besorgen.
Herzlich grüßend
der Ihrige
Prof Dr. F. Nietzsche
Nachschrift. Ich sehe eben die Rechnungen durch und entdecke, daß Sie sich um 100 M. zu Ihren Ungunsten verrechnet haben. Somit bin ich Ihnen
282 M. 26 Pf.
schuldig
F. N.