1887, Briefe 785–968
894. An Ernst Wilhelm Fritzsch in Leipzig
Sils-Maria, Oberengadin den 20. August <1887> (kalt, Schnee)
Geehrtester Herr Verleger,
nur drei Worte: denn ich bin gerade krank. Der kleine ästhetische Skrupel, der mich veranlaßte, den Preis der Partitur nicht auf dem Titelblatte (wo das Gedicht steht) zu wünschen, muß natürlich Ihrem Gesichtspunkte und der geschäftlichen Praxis sich unterordnen: obwohl es mir leid thut. Daß das kleine Werk im Herbst zur Versendung kommt, ist mein eigner Wunsch; ich selbst möchte einige Exemplare noch früher haben. Daß eine Composition von mir bei Musikern einiges Interesse erregen könnte, ist in der That nicht ganz unwahrscheinlich; mir fällt eigentlich auf, wie sehr sich gerade die Musiker auch mit meinen Schriften abgeben — es scheint, daß ich ihnen eine Art Vertrauensmann bin. Dies gilt ganz und gar nicht bloß von den Wagnerischen Musikern; man hat mir zum Beispiel erst kürzlich geschrieben, daß Dr. Joh. Brahms sich auf das Lebhafteste für meine Bücher interessire. Zehn Capellmeister ausfindig zu machen, die den Hymnus auf ihr Winter-Programm setzten, sollte nicht schwer sein. — Von dieser Seite aus weiß ich mir in der Frage der Stimmen (Druck oder Abschrift) nicht recht zu helfen; da ich mich in jedem Sinne als einen Menschen „der Zukunft“ betrachte, so zweifle ich eigentlich nicht daran, daß man sich einmal genug für mich interessiren wird, um sich auch dieses „Glaubensbekenntniß“ in Tönen nicht entgehen zu lassen. Zunächst wünschte ich freilich, daß es sich erst in einigen Aufführungen bewährte, als singbar, klang- und ausdrucksreich. Verzeihung, daß ich von diesen Sachen rede. —
Das Circular scheint mir ein äußerst glücklicher Gedanke. Auch danke ich Ihnen noch besonders dafür, daß Sie darin jedes Wort der Reklame vermieden haben: das ist vom besten Geschmack.
Bei C. G. Naumann wird eine kleinere Schrift von mir gedruckt, eine „Streitschrift“, die vielleicht einige Aktualität für sich hat. Auf dem Umschlag (Rückblatt) wird die ganze Reihe der Ihnen zugehörigen Schriften aufgezählt, mit besondrer Hervorhebung der neuen Ausgaben und ihrer Veränderungen. Ich gestehe, daß ich einen Erfolg dieser Schrift besonders in Hinsicht auf meine ganze frühere Litteratur (die fleißig darin citirt wird) wünsche, — und daß sie beinahe aus dem Bedürfniß entstanden ist, dem Vertrieb dieser älteren Litteratur und damit auch Ihnen, geehrtester Herr Verleger, zu Hülfe zu kommen.
Mit herzlichem Gruß Ihr N.
Grüßen Sie, bitte, Herrn Rudhardt von mir (früher Prf. in Genf); man sagt mir hier, er habe eine gute Lehrer-Stellung am Leipziger Conservatorium. Das freut mich. Ich habe ihn hier kennen gelernt. Und zeigen Sie ihm meinen Hymnus! —
Senden Sie doch das Circular auch an Dannreuther (New York), der sich sehr für meine Litteratur zu interessiren scheint. Insgleichen an den Dänen Dr. Georg Brandes, einen der „schneidigsten“ deutschen Litteraten; seine Adresse im Litteratur-Kalender.
Die Correktur des Titelblattes bitte sobald als nur möglich hierher, an mich.
N.