1887, Briefe 785–968
858. An Franz Overbeck in Basel (Entwurf)
<Chur, um den 8. Juni 1887>
An Overbeck
Es ging inzwischen mit der Gesundheit schlecht und schlechter: dem Frühling darf ich dafür nicht mehr die Schuld geben, er hat sich aus dem Staube gemacht und selbst nicht einmal „aus dem Staub“ … Wir hatten Schnee bis tief ins Thal herab.
Nachdem ich meiner gesamten bisherigen Litteratur nunmehr eine Art letzter Oelung gegeben und von ihr mit Zärtlichkeit Abschied genommen habe will es mir scheinen, als ob es überhaupt mit allem Veröffentlichen von Büchern bei mir jetzt vorbei sei (Gott sei Dank, werden meine Freunde sagen) Facta loquuntur: kein deutscher Verleger wagt es mit mir noch (oh sie haben Recht, diese Herren!), ich habe in den letzten 3 Jahren bei den Unbefangensten und Muthigsten immer nur das harte Wörtchen „Nein“ zu hören bekommen. Andererseits ist mir die deutsche Presse abgeneigt (oh sie hat ein Recht dazu, diese Dame!) sie möchte am liebsten meinen Namen gar nicht vorbringen, wie das mir von Litteraten selbst bezeugt ist, dazu gehört z. B. daß von den 50—60 Recensionsex<emplaren> meines letzten Buches kaum 1/5 die Wirkung gehabt hat, die man von einer derartigen Zusendung erwartet. Am wichtigsten ist dies: ich hatte bisher geglaubt daß Schm<eitzner> dem Vertrieb meiner Schriften den größten Nachtheil gethan habe: auch mit seinen unsinnigen Preisen. Nun kann man sich nicht sorgsamer und thätiger benehmen als sich mein jetziger Verleger, Herr C. G. Naumann benommen hat; und der Preis war räsonnabel: das Resultat ist trotzdem dasselbe, ja sogar noch schlimmer als bisher — es sind, wie bei der Ostermesse constatirt wurde, im Ganzen nur 114 Exemplare verkauft worden. Somit ist, von der Geb<urt> der T<ragödie> an bis jetzt, eine stetig wachsende Gleichgültigkeit gegen meine Schr<iften> ziffernmäßig constatirt. Ich selbst habe in den letzten 3 Jahren erhebliche Unkosten durch Selbst-Drucke gehabt: für den 4. Th<eil> Z<arathustras> c. 100 Thl., für Jenseits von Gut und Böse c. 300, das Jahr für die mannigfachen Zurechtmachungen und Bereicherungen meiner älteren Schriften c. 150 Thaler. Das hat nun ein Ende. Weder ich, noch irgend ein Verleger kann den Luxus einer Litteratur aufrechterhalten, deren Liebhaber kaum die Zahl 100 überschreiten.
Ein peinliches Erlebniß, das mich einige Tage krank gemacht hat, war ein Zwischenfall mit Rohde, dem Niemand besonders viel Takt und Delikatesse nachrühmen wird. Er beging in einem Briefe eine solche Rüpelei gegen mich, daß ich mich dazu hinreißen ließ, ihm eine sehr grobe Antwort und Abfertigung zu theil werden zu lassen. Ich muß hinzufügen, daß er hierauf in einer Weise zurück geantwortet hat, die seinem Charakter alle Ehre macht. Im Ganzen ein recht überflüssiges Erlebniß, zumal in meinem jetzigen Zustande. —