1887, Briefe 785–968
854. An Elisabeth Förster in Asuncion (Entwurf)
<Sils-Maria, kurz vor dem 5. Juni 1887>
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Mein liebes Lama, Du findest Deinen Bruder ganz und gar widerwillig, Geld herauszurücken: seine Lage ist zu unsicher, und die Eure nicht bewiesen genug als daß es erlaubt wäre, hier bloß auf den Augenblick hin zu handeln.
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Das Schlimmste ist zu alledem, daß unsere Interessen und Wünsche jetzt gerade recht auseinander laufen. Soweit Eure Unternehmung eine antis<emitische> Unternehmung ist — und man hat mir das inzwischen ad oculos demonstrirt —
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habe ich im innersten Herzen kein Vertrauen zu ihr ja nicht einmal viel Wohlwollen fromme Wünsche. Gelingt das Werk des Dr. F<örster>, so will ich mich um Deinetwillen damit zufrieden geben und möglichst wenig daran denken, daß es zugleich der Triumph einer von mir geringgeschätzten Bewegung ist, gelingt es ihm nicht, so werde ich mich am Zugrundegehn einer antisem<itischen> Unternehmung freuen und Dich um so mehr bedauern, daß Du Dich aus Pflicht und Liebe an eine solche Sache gebunden hast.
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Ich sage das ein- für alle Mal: mit Betrübniß darüber, daß es durchaus gesagt werden muß.
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Mein Wunsch ist zuletzt, daß man Euch deutscherseits etwas zu Hülfe käme, und nämlich dadurch daß man die Antisemiten nöthigte, Deutschland zu verlassen: wobei ja nicht zu zweifeln wäre, daß sie Euer Land der „Verheißung“ P<araguay> anderen Ländern vorziehen würden. Den Juden andererseits wünsche ich immer mehr, daß sie in Europa zur Macht kommen, damit sie jene Eigenschaften verlieren (nämlich nicht mehr nöthig haben) vermöge deren sie als Unterdrückte sich bisher durchgesetzt haben. Im Übrigen ist es meine ehrliche Überzeugung: ein Deutscher, der bloß daraufhin, daß er ein D<eutscher> ist, in Anspruch nimmt mehr zu sein, als ein Jude, gehört in die Komödie: gesetzt nämlich daß er nicht ins Irrenhaus gehört