1875, Briefe 412–495
477. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Steinabad, 10. August 1875>
Da muß denn schnell ein Briefchen hinterdrein, meine liebe gute Mutter, damit es Dich noch in Naumburg abfaßt. Vor allem meinen herzlichen Dank für die vielen Mühen, die Du meinetwegen jetzt gehabt hast, für Nachdenken, Geschick und Einrichtungstalent, welches am Ende nicht nur der Tischler zu preisen hat. Ich denke mit großer Freude an meine jetzt erwachsende Häuslichkeit in Basel und sehe täglich mehr ein, wie Noth es thut. Denn mit meinem Magen ist es eine langwierige Sache (wie der Dr. Wiel selbst sagt); die Magenerweiterung ist nichts Erhebliches, in dieser Beziehung hat die Kur auch Erfolg. Aber in Betreff der großen Übersäuerung des Magens sehe ich kaum einen Fortschritt. Neulich lag ich wieder einen Tag mit starken Kopfschmerzen und vielem heftigen Erbrechen zu Bett. Dr. Wiel meint schließlich doch auch, wie Immermann, daß der Grund in einer nervösen Affektion des Magens ruhe, das heißt also mit dem Kopfe zusammenhänge.
Sonst kann ich es mir in Betreff der Waldluft und Waldspaziergänge nicht besser wünschen, auch esse ich mit Appetit, nur daß ich fast unmittelbar darauf schon die Säure fühle. — Nur eine lang fortgesetzte, ganz geregelte häusliche Diät kann mir helfen, mit ein paar Wochen ist da wenig gethan, und deshalb ist eben die Einrichtung der Baseler Häuslichkeit ganz nothwendig.
Es scheint doch, daß ich in Basel durch die letzten 6 Jahre sehr überbürdet gewesen bin, und daran jetzt zu leiden habe. Warum nimmt man auch mit 24 Jahren eine Professur an! Aber ich hoffe wirklich, daß von jetzt ab es viel besser gehen wird und bin schon im Voraus unsrer lieben Lisbeth den wärmsten Dank schuldig.
Damit habe ich mein letztes Stückchen Papier beschrieben, wünsche Dir, meine liebe Mutter von Herzen gute Nacht
als Dein getreuer Sohn
Fritz.
An unsre Lisbeth habe ich geschrieben. Die freundlichsten Grüße an Oscars.
Die Addresse muß vollständig sein: Steinabad bei Bonndorf, badischer Schwarzwald.