1875, Briefe 412–495
428. An Elisabeth Nietzsche in Bayreuth
<Basel, 22. Februar 1875>
Nicht wahr, meine liebe Lisbeth, es ist eigentlich recht ios, wenn ich so an Dich nach Bayreuth schreibe? Aber es ist eine ganz gute Einrichtung, scheint mir. Erzähle mir nur ausführlich, wie es Dir geht und was Du erlebst. Grüsse den Dekan, den Bürgermeister, Hr. Käf<f>erlein, Feustels; und dann mache doch den Kindern einen hübschen Spaass in meinem Namen, mir fällt nicht leicht etwas Gescheidtes ein. Beiläufig: besorge mir doch die Rechnung von dem Tischlermeister für den Pinder’schen Stuhl; ich hätte es längst besorgen sollen. — Gestern habe ich an Frau von Moltke geschrieben und die Photographie (für die ich sehr danke) abgeschickt. Heute Mittag bin ich bei Fräulein Kestner zu Tisch; sie hatte angefragt, ob Du schon hier seiest. Übrigens habe ich jetzt vor, keine Abendgesellschaften anzunehmen, sie bekommen mir gewöhnlich schlecht. Meine Reise nach Luzern ist gut abgelaufen; ich war 2 Tage in Hôtel Gotthardt und schrieb und dachte nach. Die Übersetzung meiner dritten Betrachtung ist fertig, eine Dedication an mich in Form eines schönen Briefs macht den Anfang. — Würdest Du denn eventuell von Bayreuth nach Basel kommen wollen und können? — Hast Du Dich nicht gefreut, wie passend die Sommerferien jetzt zu den Bayreuther Proben und Festen sind? Mir ist es ein reines Wunder. — Der alte Gerlach soll jetzt pensionirt werden; man hat mich gebeten, für das Sommerhalbjahr 4 seiner Stunden zu übernehmen. Ich fürchte, es wird ein hartes Halbjahr. Die hübsche Bachofen von der weissen Villa soll sich mit einem Sohne des blauen Hauses verlobt haben. — Frl von Meysenbug hat wieder einen ihrer schönen rührenden Briefe geschrieben. — Schmeitzner hat sich erboten, den französischen Verleger zu schaffen. — Overbeck ist immer noch in schrecklicher Arbeitsnoth. Er grüsst recht schön und wird bald an Frau W<agner> schreiben. — Von Rohde höre ich gar nichts. — Wie geht es Dir denn mit den Kindern? Nichtwahr, mit der guten Loulou verträgt es sich leicht. Was macht der Bursch Siegfried? Kurz, erzähle bald etwas
Deinem Bruder.
Ich habe wieder eine wunderschöne Geschichte von einem bösen amerikanischen Buben. —