1875, Briefe 412–495
446. An Marie Baumgartner in Lörrach
Basel Donnerstag vor Pfingsten. 1875. <13. Mai>
Denken Sie, verehrte Frau, dass es auch für nächsten Samstag eine zwingende Verhinderung giebt und dass ich nicht zu Ihnen kommen werde. Glücklicher Weise ist es gar nichts Schlimmes; ich bin nämlich durch die Nachricht erfreut und überrascht, dass meine Schwester mich doch noch besuchen wird und dass ich morgen (Freitag) mit ihr in Baden-Baden zusammentreffen soll. Da bleiben wir ein paar Tage, — meine Schwester kennt diesen Ort nicht, — und kommen am Montag Abend hier in Basel an.
Da bleibt nun gar nichts übrig als zu versprechen, dass wir Beide am Samstag nach Pfingsten nach Lörrach kommen.
Das Semester wird sehr arbeitsam, ich muss alle meine angekündigten Collegien lesen und habe für alle litterarischen Absichten gar keine Zeit. Wenn nur meine Augen Stand halten!
Overbeck hat mich Montag verlassen und mir noch herzliche Empfehlungen an Sie, verehrteste Frau, aufgetragen.
Ich möchte Ihnen ein neues Buch von Hillebrand in Florenz geben, wenn ich nur wüsste, wie! Es heisst „Zeiten Völker und Menschen“ und bei den „Menschen“ komme ich auch ein wenig in Betracht. Er redet so, wie die öffentliche Meinung in 10 Jahren sein wird d.h. er ist ein klein wenig der jetzigen Meinung voran. Doch geht es nicht weit.
Mir kommt es so vor als ob ich Ihnen manches zu erzählen hätte. Und da schreibe ich von Hillebrand!
In herzlicher Ergebenheit
Ihr
Friedrich Nietzsche.