1875, Briefe 412–495
476. An Elisabeth Nietzsche in Basel
Steinabad bei Bonndorf badischer Schwarzwald. Dienstag. <10. August 1875>
Meine liebe getreue Elisabeth, so bist Du also in unserm Hause eingekehrt. Sei’s zum Guten, für Dich und mich und für Alle, die uns lieben!
Mir fehlt es an Briefpapier, Du siehst es. Nimm fürlieb, es wird viel fürlieb zu nehmen geben.
Ein Brief unsrer Muter, den ich heute Nadimittag bekam, gab mir von Deinem Eintreffen und von den Vorkommnissen Deiner Reise Nachricht. Inzwischen bat ich Frau Baumgartner um Auskunft, wie es Dir gienge. Denn Du sollst jetzt mit Brief-Nöthen nicht beschwert sein, da schon alles Übrige so schwer auf Dir lastet. Ich dachte heute an die Anordnung und den Empfang der Meubles von der Eisenbahn, und mir schauderte! Wenn Du nur erst drüber hinaus bist!
Der Noten-Antiquar in Heilbronn hat mir für den Stoß Noten 12 Mark geboten. Beschämend! Ich hatte auf mehr als das Doppelte gerechnet. Doch habe ich angenommen. —
Frau Baumann hatte mir ein Clystier — Pardon! — auf meinen Wunsch geschickt. Ich sandte es zurück, weil ich es unbrauchbar fand. Frau Baumann schickte es mir darauf nochmals: es war inzwischen nicht brauchbarer geworden, es hat eben einen Construktionsfehler. Der Dr. Wiel und ich haben es zusammen untersucht, und mit gleichem Resultate. Ich war über die Verzögerung etwas ärgerlich; jetzt habe ich endlich ein neues anderswoher mir besorgt. — Sage es der Frau B. nicht, sie hat’s gut gemeint, aber Malheur bei der Sache gehabt. Die Correspondance darüber hättest Du lesen sollen! — Hat sich der Domthürmer daran gemacht? Ich hoffe. —
Du siehst, ich bin noch hier und nicht in Bayreuth! Und habe Gründe hier zu bleiben, denn, im Vertrauen, ich merke noch gar keinen Fortschritt, lag neulich wieder einen Tag (am letzten Juli) zu Bett in der greulichen Basler Weise, also mit Kopfschmerzen und vielem Übergeben. Die Magenerweiterung ist ziemlich gehoben, das ist die harmlose Seite der Sache. Aber das eigentliche Magenübel muß wo anders stecken, Dr. Wiel meint jetzt selbst, wie Immermann, wohl in einer nervösen Affektion des Magens. Er meint, es sei etwas Langwieriges, und ich preise mich glücklich, jetzt an geordnete häusliche Verhältnisse denken zu können. — Weißt Du, die gräßliche Übersäuerung ist noch ganz ungehoben. —
Übrigens ist das Wetter herrlich, der Wald duftet, ich gehe sehr viel spazieren, unterhalte mich auf die beste und vornehmste Manier, nämlich mit mir. — Wir wollen doch in Basel von der Magenerweiterung nichts sagen, weil Immermann sie nicht erkannt hat. Nicht wahr? —
Dr. Wiel sagt, daß die Beefsteak-Maschinen bei jedem Klempner zu haben sind; dann empfiehlt er sehr Fleischhackmaschine (Klopps ist ein Hauptessen für Magenkranke!). Sodann sollen wir ja nur émaillirtes Eisengeschirr für die Küche anschaffen. Er unterrichtet auf das Beste und Freundlichste und nimmt sich des Küchenwesens hier sehr an. —
Briefe von Frau Baumgartner, Overbeck, Romundt, Gersdorff, Rohde. — Hat denn Memel nun alle Bücher geschickt? Ich hoffe. — Der kleine Kelterborn hat mich hier besucht. Ich muß jedenfalls noch hier bleiben bis zum 15ten, den Sonntag. Obwohl’s mich gelüstet, ich kann gar nicht sagen, wie? zu Dir zu kommen. Einstweilen meine herzlichsten Grüße
Treulich Dein Bruder.
Unter Kranken zu sein ist im Ganzen sehr widerlich, ich werde Dir schöne Dinge erzählen!