1885, Briefe 568–654
625. An Elisabeth Förster in Naumburg
Sils-Maria 21. August 1885.
Mein liebes Lama,
geschwind eine Auskunft in der Sache Schmeitzner, die, wie ich hoffe, nunmehr geordnet ist, Dank vielfältiger Briefschreiberei: — auch bin ich krank davon gewesen. Der angewendete „Hochdruck“, wie die Techniker sagen, hat seine Schuldigkeit gethan.
Am 1. Oktober wird Schm<eitzner> zahlen, in die Hände des Rechtsanwalt Kaufmann; dieser hat Auftrag, das Geld an Dich abzuliefern. Der Verlag ist an Herrn Erlicke in Chemnitz (Buchhändler-Firma in Leipzig) für 14,000 Mark verkauft; der Verkaufs-Contrakt liegt mir vor. (Daraus ist lehrreich, daß Sch<meitzner>s Jahres-Umsätze zwischen 8000 und 1500 Mark schwankten — nun, meine Bücher haben ihm nicht geschadet!) die Zwangsversteigerung wäre nicht leicht durchführbar gewesen. — Schm<eitzner> selber hätte seine Zustimmung, welche nöthig war, nicht gegeben; ja sogar Herr Widemann, der an mich schrieb, würde eher seinerseits die Gelder beschafft haben als jene Auction zugelassen haben. Also sind meine Bücher mir entwischt! — aber freilich, eine gute Portion Mühe und Sucherei bleibt mir nunmehr auch erspart.
An den Onkel Bernhard habe ich einen dankbaren Brief geschrieben.
Meine Diät ist noch die gleiche; der Erfolg beginnt sich zu zeigen, — scheint es mir. Der Meteorolog des Ortes (Sils ist eine schweizerische met. Station) sagt mir, die Lufttrockenheit der letzten Tage sei ganz erstaunlich. Es ist kein Zweifel, daß dieser Factor jetzt der wichtigste für mein Wohlbefinden ist. —
Ein vortrefflicher Musiker und Componist war hier bei uns zu Gaste, Prof. Ruthardt aus Genf, der Lehrer meiner alten Mansouroff. Er hat sich sehr an mich angeschlossen; ich werde gewiß ihm wieder begegnen. (Der Rückgang der Wagnerei, unter uns gesagt, ist eine Thatsache: das Gewissen aller strengeren Musiker ist aufgerüttelt.)
Sils-Maria gefällt mir wieder sehr gut, seitdem die Heuernte vorbei ist. Die grünen Wiesen sind mir fatal, geradezu anstößig — aber jetzt, gelb, bunt, braun, klingt Alles schön zusammen. Daraus ersiehst Du, wie sehr Dein Bruder innewendig ein Südländer geworden ist. — Das Clima ist rauh und härtet ab; auch halte ich strengstens noch an meiner Milch und Reis-Diät fest.
Was macht unsre liebe Mutter? Ich hörte lange nichts von ihr. Mein Brief an sie wird, wie ich hoffe, durch Deine freundliche Vermittelung in ihre Hände gekommen sein? — Und mein Herr Schwager? Arbeitet er an seinem Buche? Ich habe jetzt einen Holländer zum Umgang, der mir viel von China erzählt (er hat durch seinen eiskalten brüsken Stolz das ganze Hôtel empört — sobald er aber mich findet, giebt es die artigste und lehrreichste Unterhaltung) Meine Engländerinnen und ihre alte russische Freundin gehen Ende des Monats fort, nach Blankenberghe an’s Meer; sie haben sich auf das Gütigste meiner angenommen, und neulich zum Beispiel, als mir die Schm<eitzner>-Geschichte Kopfschmerz und Noth machte, mich einen ganzen Tag herumkutschirt, um mich zu zerstreuen.
Prof. Curtius in Leipzig ist gestorben — ein Ereigniß, das hier vielleicht die stärkste Resonanz fand. Denn Dr. Fritsch ist seinem Lehrer auf das Leidenschaftlichste zugethan, und stand zu dem Hause Curtius persönlicher als alle Verwandten des alten Professors; anderseits ist Prof. Leskien der Führer der Anti-Curtianer, und, als Urheber eines tiefgehenden Conflicts, vielleicht am frühzeitigen Tode C<urtiu>s betheiligt.
Neue gute Nachrichten mir ausbittend und herzlich grüßend
Dein F.