1885, Briefe 568–654
590. An Heinrich Köselitz in Venedig
Oster-Montag früh. <Nizza, 6. April 1885>
Lieber Freund,
eben erhalte ich Ihre Correctur des fünften und sechsten Bogens, wieder mit Dank und Bewunderung der feinen Augen und der feinen Sorgfalt meines Herrn Correctors. —
Ich halte dafür, daß wir jetzt sehr bald uns wiedersehn. Übermorgen (Mittwoch) will ich abreisen; ich hatte bei meiner Zeit-rechnung die christlichen Feste nicht in Betracht gezogen, durch welche die Druckzeit meines IV. Z<arathustra> sich bedeutend verlängert. Wenn ich hier auch nicht „auf Kohlen“ sitze, so will ich doch sehr aufathmen, wenn ich erst wieder an der Lagune sitze. Der Winter war ein großes Pensum der Selbst-Überwindung, und mein einziges Gebet früh und spät „mein Herr, fahren Sie nicht aus der Haut!“
Meine Bitte, lieber Freund, mich hübsch venetianisch irgendwo unterzubringen, — still muß es sein! — habe ich Ihnen schon vorgetragen. Aber machen Sie sich keine Noth deshalb, lassen Sie den Zufall Ihnen etwas zuflüstern! Thut er’s nicht, nun, so versuche ich’s und probire eine Zeit lang dies und das.
Was ich mich auf Ihre Musik freue! — Nehmen wir an, daß ich Freitag Abend in Venedig bin. Jedenfalls telegraphire ich von Genua aus. Meine dumme Gesundheit erlaubt mir nichts fest zu versprechen.
In Freundschaft Ihr
N.