1885, Briefe 568–654
621. An Elisabeth Förster in Naumburg
<Sils-Maria, kurz vor dem 15. August 1885>
Mein liebes Lama,
im Grunde wartete ich gerade auf diese Mittheilung über den Fall Schmeitzner, und um dieser von mir als wahrscheinlich angesetzten Möglichkeit willen habe ich zu der ganzen Sache Ja gesagt. Ich kann nämlich nur wiederholen, was ich schon Ein Mal Dir schrieb: woran mir absolut gelegen ist, das ist, meine Schriften aus Sch<meitzner>s Händen zu winden. Daß er mich bezahlt oder nicht bezahlt, ist, dagegen gerechnet, ein verschwindender Gesichtspunkt. Mein Wunsch ist groß, den ganzen Rest von Exemplaren meiner Schriften zu besitzen; oder vielmehr, ich sehe gar kein anderes Mittel als das angegebene, um dazu zu gelangen, was jetzt noth thut, meine frühern Schriften neu und wesentlich verändert herauszugeben. Es ist mir also äußerst angenehm zu hören, daß es vielleicht möglich ist, selber bei der Verauktionirung der Bietende zu sein (resp. vertreten durch Vetter Adalbert)
Zur Instruktion für das Bieten bei dieser Auktionirung bitte ich diese Gesichtspunkte zu betrachten.
1 ich möchte vor Allem
Menschliches, Allzumenschliches. 1878.
Nachtrag dazu: Vermischte Meinungen und Sprüche
1879.
Der Wanderer und sein Schatten 1880.
in Besitz bekommen; diese bedürfen nämlich absolut einer schleunigen neu redigirten Auflage (ich kann nicht darauf warten, bis die spärlichen letzten Exemplare von „Menschl<iches> Allzum<enschliches>“ sich verkauft haben; was bei dem augenblickl. Stande der Dinge sich auf Jahrzehnde hinausschieben könnte)
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Sodann will ich die drei Theile Zarathustra wieder bekommen (und sie, nach sorgfältigstem Ermessen, persönlich an einen neuen Verleger verkaufen)
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Nicht will ich in Besitz bekommen die Reste der Exemplare
Geburt der Tragödie 2. Aufl.
und der vier Unzeitgemässen Betrachtungen 1873 —1876.
- Was die „Morgenröthe“ und
„die fröhliche Wissenschaft“ anbetrifft: so bin ich bei
mir selber nicht entschlossen. Es würde mir zu viel Noth und Sucherei machen, gerade für solche Schriften (Elite-Schriften für Elite-Menschen, d. h. für ganz Wenige) neue Verleger zu finden. So mag es rathsam sein, auch diese, wie die unter 3) aufgezählten, laufen zu lassen.
Die Versicherung Sch<meitzner>s, am 1. Oktober zu zahlen, hat nicht den geringsten Werth, in Anbetracht dessen, was er alles schon versprochen hat. Sein Vater, der sich für ihn verbürgt hatte, hat nicht gezahlt: somit erscheint mir das energische Vorgehen des Onkels vollständig am Platz. Was eben seit Jahren versucht und versucht worden ist, das bezeichnete Haus zu verkaufen, ist also auch bis zum letzten Termine nicht gelungen: — es wird seine guten Gründe haben! Zu einem Subhastations-Verfahren, wie es wahrscheinlich nöthig würde, bin ich nicht reich genug; das ist langwierig und kostspielig. Die Aussicht auf die reiche Braut — ja, wenn nur Schm<eitzner> nicht im Frühjahr 1884 gegen mich dasselbe Kunststück ausgeführt hätte! Wer darf ihm zuletzt noch glauben? Und wenn er nur selber sich glauben dürfte! —
An mich geschrieben hat er bisher nicht. — „Eins ist nothwendiger als das Andre“, mein liebes Lama! Ich bin gegen Deine Theilnahme an Sch<meitzner> gar nicht unempfindlich, auch gegen ihn selber ohne Abneigung. Aber das Malheur, das dieser Verleger in Hinsicht auf die Wirkung Deines Bruders angerichtet hat, ist ungeheuer: daß ich jetzt, im 41ten Lebensjahre isolirt bin, keinen Schüler habe und es täglich empfinde, daß ich gerade in meiner besten Kraft stehe, um eine große Schul-Thätigkeit als Philosoph auszuüben, stelle Dir das auch vor die Seele! Die Bücher heraus aus diesem Winkel!!! Es sind meine Angelhaken; wenn sie mir keine Menschen fangen, so haben sie keinen Sinn! —
Ich gebe dem Rechtsanwalt sofort Auftrag zur schleunigen Zwangsversteigerung. Dir und meinem Herrn Schwager von Herzen dankbar
F.