1872, Briefe 183–286
266. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, 26. Oktober 1872>
Meine liebe Lisbeth,
nicht wahr, nun hast Du meinen Brief, der inzwischen, unnöthiger Weise, in die einsame Höhe des Westerwaldes hinaufgeklettert war. Herzlichen Dank für Deine reichlichen Mittheilungen, die ja erfreulichster und heiterer Natur sind. Auch ich habe heute Gutes zu melden, nämlich das Erscheinen von Rohdes herrlicher Schrift gegen den Wilamo-Wisch. Ich kann sie nicht schicken, Ihr müßt sie euch schon käuflich zulegen, aber ebenso Gustav und Volkmann etc. denn mir kommt diesmal darauf an, daß Jeder sie kauft. Vergnügen, ja Erbauung verspreche ich Dir davon. Sorge mir nur dafür, daß sie recht gekauft wird, im Stile jenes plötzlichen Begeisterungskaufs in Wiesbaden, von dem Du mir erzähltest. Ich bin sehr glücklich über dieselbe, sie ist so groß und frei, wie wir sie irgendwie wünschen konnten und sagt den Philologen viele Wahrheiten.
Kennst Du schon die neue Schrift von Wagner „über Schauspieler und Sänger“ (auch bei Fritzsch) Er schrieb mir heute einen herrlichen außerordentlich langen Brief und kündigt mir für die dritte Woche des November seinen und seiner Frau Besuch in Basel für 8 Tage an. Nichtwahr, das sind schöne Nachrichten!
Von Gersdorff habe ich geschrieben? Daß er im Dezember über Basel nach Italien geht und den Sommer in Basel studiren wird?
Liszt hat in Bayreuth meine Sylvesternachtsmusik vorgenommen und sehr günstig darüber geurtheilt. (Ich erzählte Dir von Bülow?)
Romundt und Overbeck sind wieder da, gestern führte ich ihm den ganzen Theeapparat vor, sammt der trefflichen Wurst. Durch Madoerin habe ich gegen 20 Pfund prächtiger Weintrauben gekauft.
Immermann’s habe ich gestern besucht: große Freude, spaßhafteste Rückerinnerungen an den letzten Schöne-Abenteuer-Tag.
Auch die jungen Vischers habe ich besucht: der Alte ist sehr griesgrämig, es geht nicht gut. Die Correkturbogen des Rhein. Museum<s> sind endlich angelangt, mir zum Ekel; denn es ist sehr viel zu corrigiren.
Einen sehr entgegenkommenden Brief, mit einem ganzen Bündel von Schriften und Dissertationen, erhielt ich vom alten Prof. v Leutsch in Göttingen — er kündigt mir an, er habe eine geeignete Persönlichkeit für die „Berichterstattung“ über mein Buch gefunden — sonderbar! Nicht?
Was macht denn unsere liebe gute Mutter? Strümpfchen? Hemdchen? Was weiß ich! Seid Ihr vergnügt zusammen? Wenn nicht, nun so lest Rohde’s Schrift
Titel:
Afterphilologie.
Zur Beleuchtung des von dem
Dr. phil. Ulrich von Wilamowitz Möllendorf
herausgegebenen Pamphlets „Zukunftsphilologie!“
Sendschreiben eines Philologen
an
Richard Wagner
(Leipzig Fritzsch) 48 Seiten
Lebt recht schön wohl und schreibt bald einmal an Euren
FRITZ