1872, Briefe 183–286
226. An Carl von Gersdorff in Berlin
<Basel, 3. Juni 1872> Montag.
Mein lieber Freund
habe nur keine Besorgniß meinet wegen: das Sichervorauszusehende findet mich gerüstet. Nie werde ich mich in eine Polemik einlassen. Es ist Schade daß es gerade Willamowitz ist. Du weißt vielleicht daß er mich noch im vorigen Herbst freundlicher Weise besuchte. Ich dachte mir damals, der sollte nur in richtiger Umgebung und unter gutem Einflusse stehen, dann würde er, bei seiner Begabung, bei seinem reinen Eifer, auch vielleicht für den Bildungsgrad reif werden, den nun allerdings mein Buch voraussetzt, und den es jetzt bei ihm nicht antrifft.
Ich bitte Dich mir das Schriftchen recht schnell zuzuschicken: unsre Buchhändler sind zu langsam.
Auch Dich, mein lieber Freund, bedauere ich bei dieser unerwarteten Episode: warum mußte es nur gerade Willamowitz sein?
Alles Andre aber, was Du mir schreibst ist ja außerordentlich schön und anmuthend. Dein Wartburgerlebniß kann Dir in der Erinnerung wirklich wie ein Eisenbahntraum erscheinen.
Ach, mein Freund, wir wissen, was wir erlebt haben. Diese heilig ernsten Erinnerungen wird uns Niemand rauben können. Durch sie gefeit und für sie kämpfend müssen wir nun durchs Leben gehen und vor Allem bestrebt sein, in allen unsern Hauptschritten so ernst und kräftig als möglich zu sein, um uns jener großen Erlebnisse und Auszeichnungen würdig zu erweisen.
Wie glücklich war ich Dich und Rohde dort zu haben! Das wird uns immer fester zusammenbinden.
Lebe wohl und ertrage!
Mein lieber Freund!
In Treue, aber
eilig
Dein
F N.