1872, Briefe 183–286
221. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, 12. Mai 1872>
Meine liebe Lisbeth, ich schreibe sofort, zunächst um Dir zu danken, daß Du mir durch Deinen entsagenden Brief eine peinliche Bemühung erspart hast. Denke Dir nämlich, daß ich seit ein paar Tagen von Baireuth aus benachrichtigt bin, daß es auch für Dich keinen Platz giebt; und daß ich selbst einen nur durch das energische Einschreiten W’s und seine Erklärung, daß ich zu ihm gehöre, erlangt habe. Du mußt nämlich wissen, daß ich der einzige Mensch im ganzen Baireuther Unternehmen bin, der bis jetzt gar kein Recht hat. Denn ich bin nicht Patron, ja nicht einmal Mitglied eines Wagnervereins. Meine Tribschener Freunde wissen ganz genau, was wir beide mit einander verabredet hatten, und ich bin überzeugt daß Frau W. sich um einen Platz für Dich bemüht hat: umsonst. Kurz, dies Dir auseinanderzusetzen war nicht gerade angenehm: dazu haben wir kein Logis in B. bekommen, denn der Oberbürgermeister läßt mich ohne Nachricht, und meine Freunde in der Fantaisie zweifeln an einem Erfolg.
Hätte ich ein paar Tage früher geschrieben, so hätte ich Dir die Möglichkeit genommen, einen so rührend-entsagenden Brief zu schreiben: kurz, ich finde alles schicklich geordnet und danke Dir herzlich. Dazu bin ich etwas unwohl, habe die ganze Nacht nicht geschlafen und trage mich selbst mit der Furcht, vielleicht selbst nicht nach B. reisen zu können.
Also, meine liebe Lisbeth, einstweilen bleibt es bei der Verabredung, daß wir am Donnerstag nach Pfingsten uns in Culmbach treffen und mitsammen nach Basel reisen. Leider hat Deine Resignation, wie Du jetzt siehst, noch gar kein Resultat für den armen Gustav K<rug> erzielt.
Verarge mir die Kürze meines Briefes nicht, grüße unsre liebe Mutter herzlich und behalte
bei alledem
lieb
Deinen Bruder F.
Freitag vor Pfingsten reise ich hier ab. — Rohde ist Professor in Kiel geworden und kommt nach B.