1872, Briefe 183–286
190. An Richard Wagner in Berlin
Basel Mittwoch. <24. Januar 1872>
Mein verehrter Meister,
soeben habe ich einen Brief an Ihre Frau Gemahlin abgesandt; es ist kaum eine Stunde nach Ihrer Abreise von Basel, so dass ich hoffen kann, wie schon morgen früh die gute Nachricht in Tribschen ist.
Es scheint jetzt der Moment zu sein, in dem der Bogen endlich gespannt wird — nachdem er lange mit schlaffen Sehnen da hieng. Dass Sie es aber auch sein müssen, der dies thut! Dass doch alles zuletzt auf Sie zurückgeht! Ich empfinde meine jetzige Existenz als einen Vorwurf und frage Sie aufrichtig an, ob Sie mich brauchen können. Ausser dieser Anfrage wüsste ich augenblicklich nichts zu berichten — aber viel, sehr viel zu wünschen, zu hoffen, mein verehrter Meister!
In Treue Ihr
Friedrich Nietzsche