1872, Briefe 183–286
247. An Malwida von Meysenbug in Bad Schwalbach
<Basel, 2. August 1872>
Empfangen Sie, gnädigstes Fräulein, herzlichen Dank und Gruß als Antwort auf einen so liebevollen Brief. Vor allem aber möchte ich selbst etwas von Ihren Rückreise-projekten profitiren; wenn Sie also die Schweiz nicht umgehen können, so dürfte ich fast hoffen, auch selber nicht umgangen zu werden? Es wäre in der That herrlich, wenn wir uns noch einmal zusammenfinden könnten; ich habe jetzt den Besuch meiner Schwester und wäre mit ihr gerne bereit, wenigstens für ein paar Tage mich von hier loszumachen. Meine Herbstferien freilich fangen erst am 20 September an; dagegen steht noch die nächste Woche zu meiner Verfügung. Ich bin übrigens doch nicht nach München gereist: mein Entschluß wurde wankend, als mir Gersdorff schrieb, daß er nicht kommen könne. Er ist leider durch ein Ohrübel recht geplagt und selbst verhindert, in seine Heimat zu reisen. Es ist so unerträglich, als Einzelner einer ernsten und tiefen Kunst gegenüber zu stehen — kurz ich blieb lieber in Basel.
Hier war es, bis gestern, grenzenlos heiß und, für einen Gelehrten, eigentlich unmöglich. Heute wiederum würde eine höher gelegene Gegend der Schweiz uns in Nebel und Frost hüllen. Für den Fall aber daß das Wetter wieder schön wird, und Sie Ihre Abreise beschließen, geben Sie mir doch ja einige Aufträge. Ich werde so vergnügt und glücklich sein, verehrtestes Fräulein, für Sie etwas thun zu können.
Kennen Sie die Frohburg, einen von hier aus sehr gern besuchten und geschätzten Luftkurort inmitten des Jura? Die Frohburg liegt in der Nähe von Ölten (Knotenpunkt der schweizerischen Eisenbahnen), bequem zugänglich, mäßig hoch, mit schöner Alpenaussicht und reich an Spaziergängen, rings von der Phantastik der Juraformation umgeben. Sie hat Telegraphenverbindung.
Das ist mein Vorschlag, der aber sofort ins Nichts verschwindet, wenn Sie bereits etwas Sich ausgedacht haben. Nur bitte ich Sie, mir zu sagen, was Sie beschlossen haben: damit ich wenigstens Sie an der Eisenbahn in Basel empfangen kann.
Ich möchte ja nichts versäumen und bin deshalb heute kurz und eilig. Grüßen Sie Fräulein Olga recht von mir und sagen Sie ihr, daß ich die Memoiren ihres Vaters lese.
Bleiben Sie, gnädigstes Fräulein, überzeugt von der Verehrung und Liebe
Ihres ergebensten
Dieners
Friedrich Nietzsche.