1884, Briefe 479–567
556. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Mentone, kurz nach dem 15. November 1884>
Mein liebes Lama,
Schmeitzner hat schon von mir einen Rüffel-Brief — auch nicht gar so grob, obschon darüber, was grob ist, unsere Ansicht zu differiren scheint. (Der arme Lanzky ist nun um seinen schönen Brief ganz gekommen und nach Griechenland abgereist.)
Ich — für meinen Theil — will durch die Klage vor Allem das erreichen, daß Sch<meitzner> meine Schriften so schnell als möglich verkauft: ich habe mich in Zürich (mit Hülfe des Lese-Museums) überzeugt, daß diese Schriften in seinem Winkel gleichsam verfaulen: seit langem ist mein Name in den sämmtlichen wissenschaftlichen Zeitschriften des In- und Auslandes nicht mehr genannt worden (dies privatissime unter uns!) Er sendet keine Redaktions-Exemplare, er macht keine Anzeigen usw.
Die Hauptsache ist nun: ein guter Verleger, womöglich Breitkopf und Härtel in Leipzig, oder etwas der Art. (Lipiner’s Prometheus ist bei Br<eitkopf> und Härtel erschienen; das sind reiche Leute.) Jener Oppenheim soll zuverlässig und thätig sein. Wenn Du einmal nach Leipzig reisen könntest, giebt es nicht die Möglichkeit, mit Herrn Härtel zu sprechen? Oder sollte ich auf den alten Engelmann zurückkommen, der seiner Zeit (als ich jung war!) sich mir als Verleger angeboten hat? Vielleicht lebt er nicht mehr; dann aber der Sohn. (Das gute Buch von W. Rolph „biologische Probleme“ ist da erschienen, Leipzig, Wilhelm Engelmann.) Ich selber habe Schmeitznern die 3 Verleger genannt. — Nämlich: wenn Alles gut geht, habe ich im Januar einen Verleger und Drucker für den 4ten Zarathustra nöthig. Bis dahin muß also der Verkauf gemacht sein, denn ich bringe keinen Verleger dazu, den 4ten Theil zu drucken, wenn nicht die 3 ersten in seinen Händen sind. (Von diesem 4ten Theile ist kluger Weise bei allen Unterhandlungen über Verkauf usw. zu schweigen, ebenso von dem nunmehr unvermeidlichen fünften und sechsten Theile (es hilft nichts, ich muß meinem Sohne Zarathustra erst zu seinem schönen Tode verhelfen, er läßt mir sonst keine Ruhe.)
Schreibt, meine Lieben, schöne erheiternde Dinge, daß mir Alles wohlgerathe.
Mentone ist etwas Herrliches, gegen Nizza gerechnet. Schon habe ich 8 Spaziergänge entdeckt. Jetzt darf niemand Bekanntes in meine Nähe kommen: ich bedarf dieser absoluten Stille. Ich esse allein.
In herzlicher Liebe Dein und Euer
F.
Sende, mein liebes Lama, das „Material“ (namentlich die letzte Zins-Berechnung) an den guten Onkel! (Köselitz meinte einmal, wenn ich mit Schmeitznern Ernst machte, so fürchte er, ich würde seinerseits eine unerwartete Gemeinheit zu erfahren bekommen — —)
Ich habe an Onkel D<aechsel> sofort geschrieben.
Und kommt denn Dr. F<örster> nach Deutschland? und wann? —