1884, Briefe 479–567
548. An Heinrich Köselitz in Annaberg
Mittwoch Morgen. <Zürich, 22. Oktober 1884>
Lieber Freund Gast,
wenn die Dresdener Aufführung nicht drängt, so kommen Sie schnellstens hierher — schnellstens, weil H<egar> im Herbst immer etwas mehr Zeit hat als im Winter, und weil ich selber hier bald abreisen will. H<egar> hat mir gestern, als er die Partitur zurückbrachte und zwar bevor ich die Anfrage an ihn richtete, mit der Sie mich in Ihrer letzten Karte beauftragten) proponirt, Sie möchten doch alle Herbste hierher kommen — er wolle Ihnen gerne von jeder seiner Proben eine halbe Stunde einräumen, wo Sie das Orchester selber „in die Hand nehmen“ und Ihre Sache einstudiren und sich vorführen könnten. Diese Proposition erschien mir so artig, daß ich heute nur nochmals das Wörtchen „schnellstens“ unterstreichen möchte — weil, wie gesagt, die Arbeit Hegars von jetzt ab fortwährend anwächst, und er bald vielleicht keine Zeit mehr für uns übrig hat. — Natürlich war er mit Ihrem Wunsche ganz einverstanden; und wenn Sie den Winter hier zubringen, so giebt es mancherlei Musik zu hören, bei deren Einübung Sie nach Belieben zugegen sein können. Also! — (Der Pianist Herr Freund spielt mir öfter vor.)
Eine Besprechung der Ouvertüren-Partitur im Einzelnen bleibt bis auf Ihre Hierherkunft aufgespart.
Es versteht sich von selber, daß die in Dresden angeknüpfte Beziehung die wichtigere und entscheidende sein muß.
Ganz von Herzen
der Ihre
N.