1874, Briefe 339–411
397. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, 16. Oktober 1874>Freitag Vormittag.
Meine gute liebe Mutter und Schwester, ich schreibe gleich ein Paar Worte zum Zeichen meiner herzlichen Freude und meines Dankes für Eure Wünsche und Gaben. Die Kiste kam ganz und gar zur rechten Zeit, nämlich am Donnerstag früh, noch bevor ich aufgestanden war, die hübschen Verschen, die mir schon etwas verrathen hatten, den Tag zuvor. Wir erwarteten stündlich die Ankunft Gersdorffs, aber er erschien nicht, und bis diesen Augenblick wissen wir nichts von ihm, ganz wider seine brieflichen Verheißungen. Von Rohde und Gustav Krug bekam ich Briefe; letzteren habe ich leider in Basel nicht zu sehen bekommen, weil ich gerade in den Tagen, als er mit seiner Gattin durchkam, in Luzern war. Mittags aßen wir drei Freunde zusammen im Schützenhause; der vierte Platz war für Gersdorff bestellt. Anbei folgt meine jüngste Schrift. Brief an Frau Margreth und Rechnung an Höflinger ist besorgt. Vorigen Dienstag war ich Abends bei Geizers, heute werde ich bei Miaskowsky’s sein. Mittwoch vor 8 Tagen nahmen wir Theil an der Immermannschen Taufe. Bei Frau Heinze war ich vor Kurzem; sie war die letzte Zeit in großer Sorge um den einen Jungen gewesen, der eine Knieentzündung (an beiden Knien) hat. Doch ist sie jetzt beruhigt, es scheint die Nachwirkung von zu starkem anstrengenden Schwimmen im Rhein während des Sommers und vielleicht nur das Symptom schnellen Wachsthums. Der Junge ist dabei ganz wohl und heiter.
Das Köfferchen wird mir gute Dienste thun, die Schinkenwurst ist soeben angeschnitten worden. Portemonnaie, Schlüsseltasche, Zahncigarre, neue Taschentücher — Alles sehr angenehm und erwünscht. Inzwischen ist eine große Menge von Büchern eingebunden worden. Mein neuer Verleger hat auch die zwei ersten Nummern der Unzeitgem. B. an sich gekauft. Overbecks Buch wird ebenfalls baldig erscheinen.
Mit den Dreißiger Jahren ist es eine eigene Sache. Viel Mühe und Arbeit vor sich, manche Entscheidungen nöthig — da giebt es keinen Grund zur Heiterkeit, es sei denn, daß es immer Gründe zur Heiterkeit geben müsse.
Adieu, meine Lieben! Es grüßt Euch in herzlicher Dankbarkeit
Euer Fridericus