1869, Briefe 1–633
624. An Anton Klette in Bonn (Entwurf)
<Leipzig, zweite Februarhälfte 1869>
V.H.D. Heute habe ich Ihnen eine Thatsache zu erzählen, meinen Dank auszudrücken und eine Bitte zu äußern: aber ich fürchte daß die Thatsache nicht mehr neu und die Bitte etwas verwegen ist. Lassen Sie mich also mit dem Danke anfangen.
Die Königsberger Diss. die Sie mir gefälliger Weise übersendeten hat in meinen Augen nicht mehr Werth als in den Ihrigen. Es ist ein ganz anständiges Präludium zu der Laert. Quellenforschung aber überall, wo es gilt durch den Überfluß von Einzelheiten hindurch zu blicken und das dahinterliegende Gewebe mit den Augen festzuhalten, da will es dem Bahnsch nicht mehr glücken. In einem längeren Nachtrag zu meiner Arbeit, der sich nach anderthalb Jahren doch als nöthig erweist, komme ich auch auf jene Diss. zu sprechen. — Vielleicht ist es mir erlaubt, diesen Nachtrag später einmal Ihnen zuzuschicken. Einstweilen fehlt es mir an der Zeit, ihn fertig zu machen, weil jene Thatsache, von der ich Ihnen erzählen wollte, gebieterisch über mich disponirt.
Sie wissen es viell<eicht> schon, daß ich eine Berufung nach Basel bekommen habe, und daß meine neue Wirksamkeit schon mit Ostern beginnt. Dies bedeutet für einen Neuling, wie ich bin, viel Arbeit und Mühe, da ich dort nicht nur an der Universität und im philol. Seminar, sondern auch am Pädagogium bestimmte Verpflichtungen zu erfüllen habe.
Vorher aber muß ich mir doch anständigerweise noch die Leipziger Doktorwürde erwerben: und um dies so schnell als möglich zu bewerkstelligen, müssen Sie, verehrtester Herr Doktor ein wenig mit helfen. Kann ich nicht ein paar Abzüge meines Laertiusaufsatzes in der allernächsten Zeit bekommen? Ritschl meint, es müßte schon gehen und bittet Sie recht dringend, auf die Typotheken einen moralischen Druck auszuüben. —
Da haben Sie Dank Thatsache und Bitte: aber ich merke es fehlt noch eins: ich muß mich entschuldigen daß die letzte gar so stürmisch gerathen ist. Und wenn Sie es erlauben, werde ich dies mündlich thun, wenigstens ist es meine Absicht auf der Reise nach Basel auch Bonn zu berühren