1869, Briefe 1–633
26. An Franziska Nietzsche in Naumburg (Fragment)
<Basel, Ende August/Anfang September 1869>
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ist am Genfersee, in Lausanne: ich habe eine Pension in Aussicht, bei Vernex) Nun war es eigentlich, offen gestanden, meine Absicht, wenn Ihr mir die Freude Eures Besuches machtet, Euch so behandeln, wie man Gäste behandelt: und dies versteht sich eigentlich von selbst. Von diesem Gesichtspunkte aus wäre mir freilich Eure Reise im nächsten Frühling passender und bequemer, eben wegen der ganz verdrehten Finanzordnung.
Schließlich muß man solche Dinge ohne alle Sentimentalität behandeln.
Was mir lieber wäre, wirst Du jetzt wissen: doch dächte ich es schon in früheren Briefen gesagt zu haben. Indessen bin ich zu allem bereit; und bitte nur um eine ganz definitive Erklärung, natürlich nach stattgehabter Vereinbarung mit Lisbeth. Du kannst ja der Bequemlichkeit halber an L. eben diesen Brief schicken.
Nun noch einiges Andere.
Über Leipziger Dinge bin ich gut unterrichtet worden von der Familie Brockhaus, mit der ich einen heiter vergnügten Tag bei Wagners verlebte. Vorgestern telegraphirten sie mir von der Tellsplatte aus: ich konnte leider nicht kommen.
Zu meinem Erstaunen schreibt kein Mensch an mich, obwohl alle Welt mir Briefe schuldet, (ausgenommen Freund Rohde, der mir treulich Nachricht giebt)
Daß ich es bei Biedermanns ausgehalten habe, ist ganz erklärlich: ich stand den Leuten doch recht fern und hielt sie alle in geziemender Distance.
Ich mag ihnen nichts schlimmes nachsagen: sie haben ein schweres Leben durchgemacht, und das hat mich milde gestimmt gegen ihre Schwächen. Aber unausstehlich unbequem waren sie mir freilich zum nähern Umgang, besonders der oberflächliche Biedermann; die Frau und Kinder haben eine gute Art; wobei ich freilich kein Urtheil über ihre Ordnung Reinlichkeit usw. gesprochen haben will. Du betrachtest die Leute zu sehr vom Standpunkte Deiner eigenen Tugenden.
Zu den wichtigen Dingen, die in erster Linie beantwortet werden sollen gehören ja die „Alpenveilchen“: aber ich weiß nichts bestimmtes über ihr Vorhandensein im Bouquet: nur weiß ich, daß das Letztere mich 19 francs kostet. und daß es das beste Lob von der Großfürstin geerntet hat. — Ich habe sie am Bahnhof zugleich mit ihrem Haushofmeister empfangen und bin ihr durch diesen Herrn, bei ihrem Aussteigen, vorgestellt worden.
Beiläufig: hast Du von Lisbeth gehört, ob Ritschl etwas Näheres über meine Stellung und Geltung in Basel ausgesprochen hat?
An Lisbeth habe ich kürzlich geschrieben, in der Meinung, daß sie wieder in Naumburg sei: schreib ihr daß Doris Brockhaus danken und grüßen ließe und um Entschuldigung bäte, noch nicht geantwortet zu haben.
Was die aber für Heimlichkeiten unter einander haben, davon hast Du keinen Begriff chère maman: und ich auch nicht. Das darfst Du aber Lisbeth nicht wiedersagen.
Schicke mir doch unter allen Umständen und baldigst durch die Post einen eingewechselten Staatsschuldschein (per Einzahlung) Mit bestem Gruße und Danke
F N.