1869, Briefe 1–633
25. An Elisabeth Nietzsche in Oelsnitz
<Basel, Ende August 1869>
Liebe Lisbeth,
ich werde mich doch nicht irren, wenn Dich meine Gedanken in Naumburg suchen und nicht mehr in Oel<s>snitz, als wo Du hoffentlich mit rechtem Erfolge Kuhmilch getrunken hast, um wieder zu der früheren Fülle und Wohlhabenheit zu gelangen, welche Dir die Leipziger Affairen und Erfahrungen geraubt haben, wenn anders meine Bürgen nicht falsch Zeugniß über Dich abgelegt haben. Diesen Auffütterungsprozeß werden wir nun auch in der Schweiz fortsetzen, am Gestade des Genfersees: soll ich Dich vielleicht in der Pension, die ich im Auge habe, als doppelte Person (also mit doppeltem Consum) ankündigen?
Wortspiel, auf Hüfte, mit Doppelsinn!
Doch jetzt werde ich sachlich und faßlich. Meine unbedingten Ferien beginnen mit dem 5 ten Oktober und dauern von da an ungefähr drei Wochen: zu meiner Freude, nach einem glücklichen Arrangement. Nun aber erwarte ich Euch eine Woche früher in Basel, also am 25 ten September: da hören nämlich meine Vorlesungen auf, und ich habe die nächste Woche nur noch am Pädagogium zu thun, so daß ich recht gut in der bezeichneten Woche zween Frauen dienen kann: während es nicht möglich sein soll, zween Herren zu dienen.
Nun aber eine Bitte, die recht schnell erfüllt sein will. Wechsle mir doch noch einen Staatsschuldschein ein und sende das Geld, indem Du es auf der Post einzahlst. Meine Adresse: „Hr. Pr. N. Basel, Schützengraben 45.“ Für Eure Reise verseht Euch nur mit Gold (dh. Louisdor’s); es ist hier die bequemste Münze; der Louis nämlich = 20 francs. Doch könnt Ihr auch Thaler mitbringen: nur werdet Ihr leicht bei dem Hin- und Herrechnen aus einer Geldsorte in die andre betrogen.
Schreibe mir nun bald etwas Ganz Gewisses: damit ich meine Anmeldung machen kann.
Neulich habe ich einen vergnügten Tag mit Brockhausens verlebt, in Tribschen, und mir viel über Leipziger Dinge erzählen lassen. Ich erwarte von allen Seiten der Welt Briefe, weil ich überall hin geschrieben habe: und doch antwortet kein Mensch! Ich glaube, es ist alles verreist, und wir Baseler sind die einzigen, die in voller Arbeit stecken.
Schreibe mir doch Adresse Titel und Anrede der Fr. von Grimmenstein.
Mit brüderlichem Gruß und Glückwunsch
Dein F. N.