1869, Briefe 1–633
31. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, Ende September 1869>
Liebe Lisbeth,
ei, ei, in was für Vermuthungen und Folgerungen habt Ihr mich durch das Telegramm mit seinem überraschenden Inhalt gestürzt! Und schließlich was war es? Etwas Clairvoiance oder richtiger Schwarzseherei; während nämlich alle Welt gerade diese Zeit für die geeignete zu einem Aufenthalt am Genfersee anerkennt, kann ein einzelnes Urtheil Euch derartig umstimmen. Und wenn auch, warum mußtet Ihr so mysteriös telegraphieren? Dachte ich doch — nun, mündlich mehr!
Also um dem grausamen Post- und Reise-spiel ein Ende zu machen, so erkläre ich, nach Naumburg kommen zu wollen; was in so fern berechtigt ist als ich Weihnachten (bei 6 Tagen Ferien) keinesfalls reisen könnte.
Ohne also etwas Definitives sagen zu können, denke ich ungefähr am Montag Nachmittag einzutreffen. Erwartet keine genauere Nachricht. Auch braucht Ihr nichts als mein Studirzimmer vorzubereiten.
Nun noch einige Vorsichtsmaßregeln. Erstens dürft Ihr nicht vergessen, daß ich außer dem Index mich für die Wintervorlesungen vorzubereiten habe: haltet mir deshalb alle irgend überflüssige Welt vom Leibe. Zweitens dürft Ihr mich in meiner Lebensweise nicht stören: und diese hat den Vorzug, sehr einfach und unkostspielig zu sein. Ich habe nämlich die letzte Zeit, nach dem Vorgange und der Einladung von Gersdorff, von nichts als Brot Milch Weintrauben Früchten und einer Suppe gelebt und denke daß eine zeitweilige Kur dieser Art meinem schlechten Magen recht gut thut. Also — große Küchenbeschwerde bringt mein Aufenthalt nicht mit sich.
Lästig ist mir, daß ich nun die ganze Masse des rhein. Mus. wieder mit mir schleppen muß. — Andernseits freue ich mich, auch nach Leipzig wieder kommen zu können. usw. Vielleicht auch reisen wir im Oktober einmal nach Weimar, zu den Verwandten, und zur Aufführung der Meistersinger.
Seid Ihr nun mit meiner Ankündigung zufrieden? Und werdet Ihr es nicht bereuen, eine so schöne Reise jetzt aufgegeben zu haben?
Mit herzlichen Grüßen und dem
Wunsch eines fröhlichen Wiedersehens
Fritz.