1871, Briefe 118–182a
151. An Erwin Rohde in Kiel
<Basel,> 6 Sept. 71.
Mein lieber Freund,
es hatte seine Gründe, daß ich nicht schrieb. Ich wußte nämlich nicht — und in Tribschen wußte man auch noch nichts — ob und was die Mannheimer Concertgeschichte würde. Jetzt, nachdem ich mehrfach mit meinen Tribschener Freunden darüber verhandelt habe, steht so viel sicher daß wir nicht darauf rechnen können. Vielleicht kommt im Oktober die Sache zu Stande. Es scheint eine Geldsache zu sein, die hier entscheidet. Du weißt ja wohl, daß es ein Wagnerverein zum Zwecke der Baireuther Unternehmungen ist, zu dessen Gunsten jener Concertplan ausgedacht ist. Ich habe in Tribschen genau meine Absichten vorgelegt und davon gesprochen daß ich im Herbst nach Norddeutschl. verreisen würde, falls nicht das Mannheimer Concert mich festhielte. Frau Wagner scheint nicht recht an dasselbe zu glauben, weil Wagner, lange durch unaufhörlich andringenden Besuch gestört, jetzt endlich wieder zu componiren fortfährt und sich schwerlich unterbrechen lassen wird.
So wäre denn diese unsre Hoffnung wieder einmal, nach einer grausamen Analogie, zerstört.
Jedoch, Jedoch — wir wollen! Wir wollen dies Jahr etwas wider der Sterne Lauf durchsetzen, nämlich —
Du hast bereits gehört daß ich nach dem Norden reisen will dh. nach Naumburg und Leipzig. Was meinst Du? Willst Du nicht nach Leipzig kommen? Ich habe jetzt bei dem mildkühlen Herbstwetter eine ordentliche Sehnsucht mit Dir in Leipzig herumzuwandern, auf den Grabmälern unsrer Vergangenheiten.
Ich reise nach Naumburg am 1 Oktober von hier ab. Für Leipzig würde ich etwa die Zeit vom 10t. des Oktober an berechnen. Am 20 muß ich wieder zurück.
Denke Dir daß gestern Abend Romundt bei mir eingetroffen ist, auf seiner Durchreise nach Nizza, wohin er sich auf 9 Monate vermiethet hat.
Wir dürfen ja dies Jahr Leipzig besuchen, da der Philologencongreß dort keine Orgien zu feiern gedenkt. Ach, was haben wir uns zu erzählen! Romundt hat mir recht zum Bewußtsein gebracht, wie einsam ich stehe und wie ich mich an meinen liebsten Freunden anhalten muß, um nicht allen Muth zu verlieren. . —
Bitte schreib mir bald ein Wörtchen der Entschließung! Ich mag Dir nichts mehr schreiben, nachdem ich wieder — wieder! — die Hoffnung habe, Dich zu sehen! — Liebster Dämon, beschere uns guten Kindern doch auch einmal etwas Erfreuliches und laß die alten Freunde zusammen kommen!
F W.