1871, Briefe 118–182a
121. An Franziska Nietzsche in Naumburg
Für den 2ten Febr. 1871. <Basel, vermutlich 27. Januar>
Wie alt, geehrteste Geburtstäglerin, bist Du denn eigentlich geworden? So viel ich mich erinnere gehst Du ungefähr mit dem Jahrhundert und ich freue mich Dir somit zu Deinem einundsiebzigsten Geburtstage gratulieren zu können: mit welchem Lebensalter doch schon etwas erreicht ist.
Wenn Du auf Deine letzten vierzig Jahre zurückdenkst, so muß es Dir doch ziemlich wohl zu Muthe sein; denn sie sind sehr schnell vergangen: was ein Beweis dafür ist, daß sie glücklich verlebt sind.
Unsereiner wünschte nichts mehr als mit gleicher, ja noch größerer Schnelligkeit hinter Dir drein zu fahren und Dich einzuholen; doch sagt man mir, daß das schwerer ist als man denkt und daß dies nur denjenigen passiere, die am 2 Febr. geboren sind.
Dies rasche Altern der Mütter soll nun das Gegentheil bei den Kindern hervorrufen — und wir haben ja das Beispiel, daß unsre Tochter nicht über die Siebzehn hinauskommt, so sehr sie sich auch seit 8 Jahren bemüht. Da müssen wir Beide also uns mit einander trösten: ich, immer noch wie Du, recht behaglich, nur mitunter etwas mehr als Du an Altersschwäche leidend feire dies Jahr meinen 87ten Geburtstag und darf mich vielleicht dabei pensionieren lassen. In Ehren und nicht ohne einen silbernen Pokal, aus dem Du recht ordentlich nippen sollst.
Für die nächsten fünfzig Jahre Deines Daseins bringe ich Dir heute einen so lange aushaltenden Regenschirm, nebst einer Torte, deren Dauerhaftigkeit mir aber nicht garantiert wurde. Genieße die eine unter dem anderen, wenn Du es Deiner Gesundheit für zuträglich erachtest —
mit welcher Dich herzlich grüßt
Dein
Fridericus.