1873, Briefe 287–338a
335. An Carl von Gersdorff in Ostrichen
<Naumburg, 26. Dezember 1873>
Herzlich geliebter Freund,
ich war krank, lag zu Bett — hier in der Heimat; die alte Litanei! So komme ich denn zu spät für Deinen Geburtstag, ebenso wie für den der Frau Wagner. Nun Ihr werdet mir Beide nicht so böse sein, wenn Ihr die Ursache meines Säumens kennt.
Deinen Brief aus Bayreuth habe ich noch nicht gelesen: er ist nach Basel von hier abgeschickt worden, ich hoffe von Herzen, dass gute Nachrichten darin stehen: Rohde hat gestern an mich geschrieben, Overbeck vorgestern. Fritzsch druckt also bereits an der Unzeitgemässheit (2), wenn ich recht berichtet bin; ich habe einen Contrakt aufgesetzt, nach dem der Druck bis Ende Januar beschlossen sein muss, während ich versprochen habe, bis zum 7t. Januar mein Manuscript fertig abgeliefert zu haben. Fritzsch besitzt Vorrede Cap. I II III IV V VI VII.; heute habe ich hier das Capitel X angefangen.
Dies meine Thätigkeit: nun gleich eine herrliche Neuigkeit! Schaffe Dir doch gleich aus Görlitz an „Zwölf Briefe eines ästhetischen Ketzers“ Berlin Verlag von Robert Oppenheim 1874. Du wirst eine unbändige Freude haben, ich überlasse Dir zu errathen, wer der Autor ist. Es giebt immer wieder neue Hoffnungen, und unsre „Gesellschaft der Hoffenden“ wächst heran.
Heute Nachmittag spazierte ich mit Wilhelm Pinder und seiner Braut und empfand die ganze gutmüthige Ironie, die dieser doppelschlächtige Zustand auf unser Einen (der an der „Idee“ hängt) machen muss: ohne dass wir etwa diesem Zustand dauernd entgehen könnten.
Man hat mir hübsche Geschenke gemacht, zB. einen vergüldeten Korb als Mappe für grosse Photographien, wie die Deinigen sind, schöne Holzschnitzerei mit Blumen von meiner Schwester, als Local und Ansammlungsstätte für Briefe; auch die Prinzess Therese von Altenburg hat mich mit üppigen Juchtensachen bedacht. Dann noch einige grosse Rafaels.
Mein guter Freund, ich denke mit herzlicher Empfindung, ja Rührung an alles das, was ich Dir in diesem Jahre verdanke, wie viel Trost Hülfe und That, und werde am Sylvestertage Dich mit einem besonderen Glase feiern. Nicht wahr, wir gehören zusammen und bleiben uns treu, mögen nun hunderte von Meilensteinen oder auch Weiber dazwischen treten. Es wird Dir wohl manchmal etwas einsam sein und Du wirst unsrer Theeabende in Basel gedenken; dann berühren sich gewiss unsre entgegenkommenden Wünsche und Hoffnungen, die Hoffnungen auf das nächste Jahr, 1874! Möge es tapfer überstanden werden
„Freunden zum Trost,
„Feinden jedoch
„Zu ewigem Neide!
Dein Getreuer
F. N.
Deinen verehrten Eltern meine Empfehlungen, ebenfalls an Dich die herzlichen Grüsse der Meinigen.