1873, Briefe 287–338a
308. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Basel, vermutlich 11. Mai 1873> Sonntag.
Liebe Mutter und Schwester,
heute nur ein Geschäftsbriefchen. Ich möchte die Gelegenheit Deiner Reise, liebe Lisbeth, wahrnehmen, um etwas von Naumburger Schustern und Schneidern zu erhalten. Erstens soll mir der Haverkamp einen ganzen Anzug machen, Rock Hose Weste, (helle Hose, dunkleren Rock vielleicht wieder rothbraun, und vielleicht schwarzsammtne Weste) Mein Maaß hat er ja, gewachsen oder dicker geworden bin ich nicht. Sodann wünsche ich von Walter ein paar gute ordentliche Stiefeln, nach meinem Fuße gemacht, ja nicht schwer, sondern leicht.
Dies sind meine Bitten, nicht wahr, Ihr gebt gelegentlich die Aufträge, und seht Euch die Stoffe an? —
Hier sind wir wieder im Semester angelangt, und es geht leidlich. Gestern haben wir das Vischer-Heuslersche neue Haus gerichtet. Das wißt Ihr wohl schon, daß der Herr Blomberg, der bisherige Insasse Deiner Zimmer, liebe Lisbeth sich mit Frl. Geehring verlobt hat; ich habe neulich einen Gratulationsbesuch gemacht. Er hat eine Musikdirektorstelle bekommen (in Mühlhausen) und ist ein ganz liebenswürdiger und sehr junger Künstler. Es herrscht allseitiges Vergnügen.
Der Druck der zweiten Auflage war bis jetzt, wie so vieles Andere, durch die beharrlichen Setzer-Strikes in Leipzig verhindert. Prof Overbeck’s neueste Schrift erscheint auch bei Fritzsch.
Weiter giebt es heute nichts zu melden: vielleicht bekomme ich über Deine Ankunft nähere Nachricht? Und es bleibt doch bei Strassburg?
Heute hatte ich mich wieder einmal dem Studium von Baedecker und Berlepsch überlassen, natürlich zu dem bewußten Sommer-Aufenthalts-Zweck.
Adieu, Adieu. Und beste Grüße
Euer F.