1873, Briefe 287–338a
293. An Franziska Nietzsche in Naumburg
<Basel, 31. Januar 1873>Freitag.
Meine liebe Mutter
schnell will ich Dir einen Geburtstagsbrief abfassen, damit Du ihn übermorgen früh in Händen hast und nicht zu warten hast auf die guten Wünsche, die ich Dir aus der Ferne, mit herzlicher Theilnahme zusende. Ich wünschte etwas gesunder zu sein, um frohmüthiger gratuliren zu können: denn ob ich schon diese Woche alle meine Berufsgeschäfte erfüllt habe, ist es doch mit dem krippenartigen Zustand nicht besser geworden, zumal wir jetzt Kälte, Ostwind und Schneefall haben. Fataler Schnupfen und Husten und Mattigkeit, in summa etwas höchst Triviales, doch gerade genug, um das Gefühl hervorzubringen, daß man krank sei. Dieses Gefühl möge Dir im neuen Jahre möglichst erspart bleiben und die bekannte Rüstigkeit möge Dir und uns zu Nutze kommen. Das neue Jahr wird hoffentlich für uns zusammen auch wieder so vergnügte und behagliche Tage in Bereitschaft haben, wie wir sie letztes Weihnachten zusammen verlebten. Es ist noch gar nicht so lange her daß wir zusammen saßen, und das inzwischen verlebte Zeitstück ist nicht der Rede werth und hat wenig für sich, wenigstens was mich betrifft. Lisbeth wird Dir aber berichtet haben, daß man mich zum Preisrichter gemacht hat: die zwei anderen sind Prof. Simrock in Bonn und Prof. Heyne hier. Der Preis beträgt 300 Thaler. Gersdorff schrieb eben aus Florenz, sehr bezaubert: er wohnt herrlich, so nahe den Gallerien daß er keinen Regenschirm braucht und ist alle Abend bei Frl. von Meysenbug. Apropos: wo bleibt denn mein Bild, das ja der Photograph (Schulz) Henning längst fertig haben muß! Sobald Du ein Exemplar hast — sechs sind bestellt, so sende es eiligst nach Leipzig unter dieser Adresse:
Hr. stud. philol. Götz
Leipzig
Markt 3,
III
im Hofe.
Mir selbst sende ein Paar! der Photographien. Die übrigen 3 stehen zu Eurer Disposition für Verwandte. —
Die Correkturen für die zweite Auflage sind fertig, und das Exemplar schon in Leipzig. Rohde war jetzt in Hamburg mit Wagners zusammen; nach einem großen Concert telegraphirten sie mir. Fuchs hat wieder geschrieben und ich habe geantwortet. Ich will sehen ob ich ihm eine Zusammenkunft mit W<agner> verschaffen kann, ich habe gethan, was ich konnte. Er wollte auch hier ein paar Concerte geben: das steht nicht in meiner Macht.
Verschiedne Einladungen, die ich bekam, habe ich ausschlagen müssen: innerhalb der letzten drei Wochen war ich zu nichts derart zu gebrauchen. Dem alten Vischer geht es besser, und er thut alle seine Geschäfte wieder. Romundt ist wie immer vergnügt und mit Eifer hinter seinen Studenten und Vorlesungen her. Mit Overbeck lebe ich in gewohnter angenehmer und beiderseits ersprießlicher Weise: wir alle drei wünschen sehr daß keine Störenfriede dazwischen kommen. Rohde schreibt auch über den guten Brockhaus in Kiel, er mag ihn nicht. In Leipzig ist immer noch großer Zorn auf mich: Frau W<agner> hat mit dem alten Brockhaus ein ganz heftiges Gefecht über mich gehabt, in dem unbegreifliche Dinge zu Tage gekommen sind. Siehst Du, so lebt unsereins: wenn er nicht ein paar Freunde hätte, man wäre gleich preisgegeben und zu Boden getreten. So aber geht es mit Tapferkeit vorwärts. Wäre ich nur etwas wohler, und das Wetter reiner! Nun ich hoffe auf Lichtmeß: sorge nur schönstens dafür daß der Himmel ein freundlich Gesicht macht: wie wir es, Dir zu Ehren, alle machen werden. Dein getreuer Sohn Fritz.
Ich danke der lieben Elisabeth herzlich für Brief und gute Wünsche und hoffe daß sie in meinem Namen ein kleines Geburtstagsgeschenk nach Verabredung überreicht. Nimm fürlieb! —