1877, Briefe 585–674
629. An Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Rosenlauibad, vor dem 29. Juni 1877>
Liebe, liebe Schwester
den besten Dank. Alles sehr gut ausgedacht. Ich kann kaum die Zeit unseres Wiedersehens erwarten, es kommt mir noch so ferne vor.
Eine gewisse Veränderung der Pläne wird durch Frl. v. M<eysenbug>’s Wort auf ihrer letzten Karte hervorgerufen „aber Nat<alie> müssen wir total von der Liste streichen, sie hat mir neulich wieder zufällig ihre feste Ansicht in der Beziehung mitgetheilt“. Es kommt übrigens niemand nach Äschi ausser Monods und Frl. v. M<eysenbug>. Mit den andern „Wesen“ ist alles Phantasie und Hirngespinst. Nun ist mir Aeschi wirklich zu niedrig (niedriger als die Frohburg) ich werde mich jetzt, wo keine höheren Zwecke vorliegen, darauf beschränken, dort einen Besuch zu machen. — Wagner’s kommen nächstens nach Selisberg am Vierwaldst<ättersee>, Frl. v. M<eysenbug> geht bis zum 20 Juli dorthin, bis Olga in Aeschi eintrifft. Ich werde vernünftiger Weise auch dorthin nicht gehen; denn ich muss jetzt nur ein Ziel haben, bis zum Herbst wieder arbeitsfähig zu werden. Wagner’s Nähe ist nicht für Kranke, das zeigte sich auch in Sorrent.
Übrigens graut mir vor Basel, wo ich wie in einer Verpuppung leben muss und wirklich nervenschwach und melancholisch geworden bin. Sie schätzen mich; aber was habe ich mit ihnen gemein? Was kann ich ihnen, was sie mir nützen? — Das lässt sich aber vorläufig nicht ändern. Aber noch mehr abschliessen müssen wir uns, namentl<ich> vor den Deutschen (Overbeck klagte sehr über Immermann’s, seine Frau hat ihm „die rechten Gesichtspuncte gegeben“; auch die „flachen“ Miaskow<s>ky’s sind wieder da!!)
Denke Dir, ich habe wieder an B<ertha> R<ohr> in Basel gedacht, sie stimmt zuletzt doch am besten für meinen Baseler Nothwehr-Zustand. Bitte, erkundige dich doch sofort wo sie diesen Sommer zu finden ist.
Gegen den Genfer Gedanken (Kl. K<öckert> habe ich manches einzuwenden, der Vater gefällt mir nicht, ich glaube es ist ein etwas verrufener Geschäftsmann. Und dann — wo ist Vermögen? Vielleicht eines Tages Bankerott. Mutter sehr geizig.
Also Deinen Geburtstag! Mir ist es ungefähr gleich, Bern oder Luzern, ich möchte nur meine späteren Pläne damit verbinden. Denn auf die Dauer bleibe ich nicht in Rosenl<auibad>, es ist wie Du Dir denkst, auf und ab. Sonst sehr gut. Ich gebrauche die Kur von St. Moritzer Wasser.
Grüsse unsere gute Mutter und danke ihr sehr für Ihren Brief. Schreib mir doch, bevor Du abreist. Auch, wohin ich Dir nach Basel schreiben soll.
In Treue und Liebe F.