1876, Briefe 496–584
536. An Richard und Cosima Wagner in Bayreuth (Entwurf)
<Basel, Juli 1876>
Mein Verleger hat den Auftrag, Ihnen und Ihrer Frau Gem<ahlin> die zwei Festexemplare meiner neuesten Schrift zu überreichen. Mir fällt gar nichts ein, was ich hier, bevorwortend und befürwortend, zu Gunsten derselben sagen soll. Denn immer überkommt mich ein Schauder, wenn ich bedenke, was ich gewagt habe: es ist als ob ich wieder einmal mich selber aufs Spiel gesetzt hätte. Ich bitte Sie auf das Herzlichste: lassen Sie geschehen sein was geschehen ist und gewähren Sie einem, der sich nicht geschont hat, Ihr Mitleid und Ihr Schweigen.
Diesmal bleibt mir nichts übrig als Sie zu bitten: lesen Sie diese Schrift als ob sie nicht von Ihnen handelte und als ob sie nicht von mir wäre. Eigentlich ist über die Schrift in der von mir gewagten Art unter Lebenden nicht gut zu reden: es ist etwas für die Unterwelt.
Wenn ich auf ein im Ganzen gequältes Jahr zurücksehe, so kommt es mir so vor als ob ich wirklich alle guten Stunden desselben auf das Ausdenken und Ausarbeiten dieser Schrift gewendet hätte: heute ist es mein Stolz, auch diesem Zeitraume noch eine Frucht abgewonnen zu haben. Viell<eicht> wäre das trotz allem guten Willen nicht möglich gewesen, wenn ich nicht seit meinem 14t Lebensjahre die Dinge mit mir herumgetragen hätte von denen ich diesmal zu reden gewagt habe.
Denke ich an das zurück, was ich diesmal gewagt habe, so schließe ich die Augen und ein Grausen überkommt mich hinterdrein. Es ist fast als ob ich mich selber aufs Spiel gesetzt hätte.
So bin ich denn mit einer Schrift fertig geworden, welche Ihren Namen trägt: denke ich daran zurück, was ich diesmal gewagt habe, so möchte ich am liebsten die Augen zu machen; ein Schauder überkommt mich hinterdrein. Ich weiß gar nicht, worum ich Sie bitten soll: nur lassen Sie geschehen sein, was geschehen ist.
Sie müssen in dieser Sache Einiges über sich ergehen lassen, ohne zu zucken: darunter auch das, was hiermit geschieht: