1881, Briefe 74–184
98. An Heinrich Köselitz in Venedig (Postkarte)
<Genua, 6. April 1881>
Sie thun mir so wohl, lieber Freund, mit Vielem und mit Ihren Briefen namentlich — und ich habe das Wohlthuende jetzt recht nöthig! Es geht mir gar nicht gut. Wie gerne käme ich zu Ihnen, namentlich wenn ich jetzt denken darf, daß es nicht ganz wider Ihren Wunsch ist! Aber Venedig ist noch zu voll, ich kann nicht die Geselligkeit wieder aufnehmen, wie ich sie ehemals liebte, jede Unterhaltung ist jetzt, nach einem halbjährigen Nicht-reden, für mich eine ernste Sache. — Wann reist G<ersdorff> ab? — Aber da ist die arme Frau von W<öhrmann>, unsrer Familie so nahestehend und mir selber (sie hat mir wieder und wieder versprochen, „wie eine Schwester“ für mich sorgen zu wollen) Auch ihre beiden Söhne sind in V<enedig>. Dieses Ihr Venedig liegt an der Heerstraße für alle guten Menschen. Schlimm für mich! Ich käme gar zu gern.
Treugesinnt Ihr F. N.
Schmeitzner’s Schweigen auf alle Briefe und Karten ist wider die „gute Sitte“ —