1881, Briefe 74–184
133. An Franz Overbeck in Basel (Postkarte)
<Sils-Maria, 23. Juli 1881>
Es freut mich sehr, mein lieber Freund, daß auch in dieser Angelegenheit unsre Freundschaft Stand hält, ja sich neu besiegelt hat — ich denke mitunter mit Bangniß an alle die Feuer- und Kälteproben, denen die mir liebsten Menschen durch meine „Unumwundenheit“ ausgesetzt werden. Was das Christenthum betrifft, so wirst Du mir wohl das Eine glauben: ich bin in meinem Herzen nie gegen dasselbe gemein gewesen und habe mir von Kindesbeinen an manche innerliche Mühe um seine Ideale gegeben, zuletzt freilich immer mit dem Ergebniß der puren Unmöglichkeit. — Auch hier habe ich viel zu leiden, der Sommer ist diesmal heißer und elektricitätsreicher als gewöhnlich, zu meinem Nachtheil. Trotzdem weiß ich mir nichts meiner Natur Angemesseneres als dies Stück Ober-Erde. — Frau Baumgartner hat mir sehr gut und herzlich geschrieben. — Ich selber bin noch nicht im Besitz meines Buches. — Hellwald mit Dank empfangen; es ist ein Compendium einer Gattung von Meinungen.
Dir und Deiner lieben Frau von Herzen zugethan
F.N.
Ich weiß absolut nicht mehr, mit welchen Ansichten ich noch wohlthue, mit welchen ich wehe thue.