1881, Briefe 74–184
109. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg (Postkarte)
<Recoaro, 18. Mai 1881>
Meine Lieben, es will mir scheinen als hätte ich recht lange nichts von Euch gehört. — Mir ist es seit meiner Abreise so gegangen wie voriges Jahr nach der Abreise von Venedig: schlecht, sehr schlecht — deshalb schrieb ich nicht. Die erwähnte Sendung von Genua mußte ich unterlassen, es gab Schwierigkeiten, die ich mit meiner Unkenntniß der Sprache nicht überwältigen konnte: Verzeihung! — Zu meinen schönsten und überraschendsten Erlebnissen gehört die Entdeckung, die ich hier mache, wo ich Freund Köselitzens komische Oper kennen lerne: er ist ein Musiker ersten Ranges und was er kann, kann ihm unter den Lebenden keiner nachmachen. Dabei genieße ich noch etwas Persönliches: es ist gerade die Musik, die zu meiner Philosophie gehört. — Leider gebietet meine Gesundheit mir die größte Enthaltsamkeit in diesem Genusse. Meine Adresse habt ihr: Recoaro, presso di Vicenza, Italia, poste restante.
In herzlicher Liebe Eurer gedenkend
F N.