1866, Briefe 490–534
516. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg
<Leipzig,> Sonnabend früh. Das Datum: 18 Aug. 1866.
Liebe Mama und Lisbeth,
Ich schreibe sogleich, nach dem ich Euren Brief sammt der Leibbinde erhalten habe. Für beides sage ich meinen besten Dank. An der Cholera bin ich noch nicht krank gewesen. Zudem tritt sie in Leipzig ziemlich milde auf. Ganz anders wenigstens als in Halle.
Ich will als den Tag meines Kommens den Mittwoch in nächster Woche bezeichnen, obwohl ich das nicht so sicher in der Hand habe. Ich denke mit meiner Arbeit bis dahin fertig sein zu können: aber, wie gesagt, die Wirklichkeit spottet oft über unsre Wünsche.
Dann möchte ich allerdings zuerst noch eine Woche in Naumburg zubringen. Ich habe nichts gegen eine Reise, aber sie darf nicht augenblicklich beginnen und sie muß kurz sein. Rudolf ist schon längere Zeit fort, wie überhaupt die Studenten, die nicht hier ansässig sind. Er hat mich ebenfalls in seine Heimat eingeladen. Aber wie gesagt: nur nicht sobald. Wenn Lisbeth lieber in den Harz will, so soll mir das sehr recht sein, weil ich dann nicht reisen muß: andererseits ist es mir unwillkommen, wenn sie gerade Naumburg verläßt, sobald ich dort anlange.
Was mich bestimmt, diese Ferien nicht in Reisen zu vergeuden, will ich Euch mündlich erzählen. Genug, daß es nichts Schlimmes ist; eher das Gegentheil. Ich habe wieder ganz angenehme Aussichten, nur muß ich etwas für sie thun. Zudem bin ich zunächst etwas müde, ich möchte mich in Naumburg etwas ausruhen, spazieren gehen, musiziren und dabei gemächlich arbeiten.
Meinen Hut und die Sommerkleider möchte ich wohl waschen lassen: ich könnte doch nur in ihnen reisen. Ich will sie also ebenso wie die schmutzige Wäsche Mittwochs mitbringen.
Heute Abend bin ich zu Riedigs eingeladen zu einer Tauffeierlichkeit. Vorgestern Abend zu Roscher mit einigen Bekannten. Das Wetter ist ungleichmäßig, aber fast immer kühl, deshalb mir nicht unangenehm.
Zwei Drittel meiner Arbeit hat Ritschi schon in den Händen.
Der dritte Theil will gar nicht vorwärts. Ich habe doch nie wieder so stätig gearbeitet, wie letzte Ferien.
Darum will ich es jetzt ähnlich machen. Nur hat es jetzt keine solche Eile.
Somit lebt recht wohl! Auf schönes Wiedersehn! Es nützt nichts, wenn ich noch mehr schreibe.
Euer Fritz N.
Mushacke und Gersdorff lassen grüßen, ebenso Stöckhardt, der mich gestern anredete. Ein schrecklich langer Kerl!