1880, Briefe 1–73
68. An Franziska und Elisabeth Nietzsche in Naumburg (Postkarte)
<Genua, 24. November 1880>
Meine Lieben, ich mache wieder den Versuch, ein Leben zu finden, das mit mir selber harmonisch ist, und glaube, es sei auch der Weg zur Gesundheit; mindestens habe ich auf allen andern Wegen bisher meine Gesundheit nur eingebüßt. Ich will mein eigner Arzt sein, und dazu gehört bei mir, daß ich mir selber im Tiefsten treu bin und auf nichts Fremdes mehr hinhöre. Ich kann nicht sagen, wie sehr die Einsamkeit mir wohl thut! Glaubt ja nicht, daß es meine Liebe zu Euch verringere! Helft mir vielmehr, meine Einsiedelei verborgen zu halten: nur so kann ich mich selber in jedem Sinne fördern (und zuletzt vielleicht auch Andern nützlich werden) Hier, die große bewegte Meerstadt, an der jährlich über 10,000 Schiffe anlanden — die giebt mir Ruhe und Für-mich-sein. Dazu eine Dachstube mit ausgezeichnetem Bett: einfache gesunde Kost (alles habe ich vereinfacht) Meerluft, unentbehrlich für meinen Kopf; Wege mit herrlicher Pflasterung, und für November eine allerliebste Wärme! (Viel Regen leider)
Für den schönen Brief den herzlichsten Dank. In Liebe Euer F.
Genova poste restante