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1880, Briefe 1–73
56. An Heinrich Köselitz in Venedig (Postkarte)
<Stresa, 27. Oktober 1880>
Ja, senden Sie mir etwas, lieber Freund! Sie haben mich so streng in Bezug auf Ihre Musik gemacht, daß es mir gar nicht in den Sinn gekommen ist, Sie um etwas zu bitten: ich freute mich auf Treu und Glauben hin, ohne „den Finger erst auf die Nägelmale zu legen“ — ich meine, diese christliche Tugend sollten Sie belohnen? Bin ich je in Hinsicht auf Sie auch nur einen Augenblick ein „ungläubiger Thomas“ gewesen? Ich frage mich und prüfe mein Gedächtniß. — Aber keine Partitur! — Im Stillen zehre ich immer noch an einigen Takten Chopin’s, die mir aus Ihrem Zimmer her geblieben sind: es gab dort für mich einen Hauch Sommerluft, den ich nicht wieder fand.
F N.