1880, Briefe 1–73
60. An Heinrich Köselitz in Venedig (Postkarte)
<Stresa, 7. November 1880>
Theurer, Lieber! Immer krank, viel zu Bett, vom Winter überfallen, täglich 200 Male sagend „was liegt an mir!“ — nun das ist ein Mensch, der Ihnen etwas anderes sagen soll als „ich vertraue!“? Mitunter fühle ich, durch Ihre Musik hindurch, wovon Sie sich losgerissen haben und losreißen. Dann wieder kommt mir ein Ideal komischer Musik in den Sinn, welches mich fast drängen möchte, nach Venedig zu kommen, um mit Ihnen davon zu reden. Drittens: ich habe kein Klavier, viertens ich habe in meinem Leben noch keine Singstimme gehört, welche nicht die gute Musik geschändet hätte — so daß ich gar nicht mehr an Stimmen denken mag, sondern immer nur an komische Musik so denke, als ob usw. usw. Erbarmen und Geduld! Freund!
Von morgen an: Genova, poste restante.